Nachgehend

BGH (Urteil vom 28.11.2002; Aktenzeichen 4 StR 260/02)

 

Tenor

  • Der Angeklagte wird auf Kosten der Landeskasse, die auch seine notwendigen Auslagen zu tragen hat, freigesprochen.

 

Gründe

I.

In der Anklageschrift vom 23.10.2001 warf die Staatsanwaltschaft Bochum dem Angeklagten ein Vergehen des unerlaubten Bereitstellens von Einrichtungen zur Veranstaltung eines Glücksspiels gemäß § 284 StGB vor.

Dem liegt folgender - unstreitiger, auch vom Angeklagten in der Hauptverhandlung freimütig eingeräumter - Sachverhalt zugrunde:

Seit dem 01.06.2000 bietet der Angeklagte unter der Adresse ... die Möglichkeit an, auf das Ergebnis von Fußballspielen oder anderen sportlichen Ereignissen zu tippen. Dies geschieht wie folgt:

In den Geschäftsräumen des Angeklagten liegen Wettprogramme aus. Auf einem Tippzettel kann der Mitspieler dann darauf tippen, welche Mannschaft gewinnt, oder auch auf einen bestimmten Spielausgang. Die Spieler können auf alle Europaligen wetten, insbesondere auf Fußball. Tipps können abgegeben werden bis herunter zur Regionalliga. Umfangsmäßig sind die Tipps nicht auf ein Spiel beschränkt, sondern es sind Tipps für bis zu 10 Spiele möglich. Die Mitspieler füllen die Tippzettel aus und geben diese dann dem Angeklagten oder dessen Angestellten und zahlen ihren Einsatz. Der Angeklagte gibt die Tipps dann in einen Computer ein, von wo aus dieser die Daten online an die Firma ... Isle of Man ... weiterleitet. Hat der Spieler gewonnen, erhält er seinen Einsatz nach bereits bei Abgabe des Tipps festgelegten Quoten vom Angeklagten ausgezahlt.

Der Spielablauf erinnert an die in der Bundesrepublik Deutschland bekannte "Oddset - Die Sportwette".

Unregelmäßigkeiten bei der Auszahlung der Gewinne an die Mitspieler gab es im übrigen nicht. Der Angeklagte zahlte die Gewinne pünktlich aus den eingenommenen Geldern der Mitspieler aus. Für den Fall, daß die Gewinne einmal die Spieleinsätze übersteigen sollten, hat der Angeklagte von der Firma ... einen Überlaufbetrag von 5.000 Euro zur Verfügung. Einmal im Monat rechnet der Angeklagte mit der Firma ... ab und überweist den Saldo an die Firma ... auf der Isle of Man. Der Angeklagte gibt hierzu an, daß dieser Saldo im Monat durchschnittlich 6.500,- Euro beträgt. Er selber erhält - unabhängig von der Anzahl der Mitspieler und unabhängig von der Höhe der Wetteinsätze - monatlich einen Festbetrag von 4.000,- Euro. Nach Abzug der Miete für das Ladenlokal und der Gehälter für zwei Teilzeitangestellte sowie sonstiger Nebenkosten verbleiben ihm davon ca. 1.800 - 2.000,- Euro pro Monat.

Weder der Angeklagte noch die Firma ... sind Inhaber einer Genehmigung für die Veranstaltung von Glücksspielen in einem der deutschen Bundesländer. Unter dem 06. Februar 2001 ließen die Gesellschaften des deutschen Lotto- und Totoblocks, handelnd durch die Westdeutsche Lotterie GmbH und Co., die mit der von der Firma ... betriebenen Sportwette auf dem deutschen Markt konkurrieren, Strafanzeige gegen den Angeklagten erstatten.

II.

Der Angeklagte war aus Rechtsgründen freizusprechen, da sein Handel nicht den Tatbestand des § 284 StGB erfüllt.

Erste Voraussetzung für sämtliche Alternativen des § 284 StGB wäre, daß es sich bei der vorliegenden Art der Sportwette um ein "Glücksspiel" im Sinne des Gesetzes handeln würde. Dies ist indes nicht der Fall. Beim Glücksspiel wird die Entscheidung über Gewinn und Verlust nach den Vertragsbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten und Kenntnissen und vom Grade der Aufmerksamkeit der Spieler bestimmt, sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall, nämlich vom Wirken unberechenbarer, dem Einfluß der Beteiligten in ihrem Durchschnitt entzogener Ursachen (BGHSt 9, 37, Tröndle/Fischer, § 234 Randnr. 3). Dem gegenüber hat es beim -straflosen - Geschicklichkeitsspiel der Durchschnitt der Teilnehmer mit zumindest hälftiger Wahrscheinlichkeit in der Hand, durch Geschicklichkeit den Ausgang des Spiels zu bestimmen. Daß dabei vereinzelten Spielern die Geschicklichkeit fehlt, ist unerheblich Es entscheidet der Durchschnitt, so daß der Charakter des Spiels nur einheitlich beurteilt werden kann (Tröndle/Fischer, § 284 Randnr. 5, AG Karlsruhe-Durlach, NStZ2001, Seite 254).

Ausgehend von dieser Definition ist z. B. das Lotto- oder das Roulettespiel ein Glücksspiel. Dort kann der Mitspieler auf Zahlen setzen, ohne daß er z. B. durch bestimmte Kenntnisse in der Lage wäre, seine Chancen in irgendeiner Form zu verbessern. Anders verhält es sich jedoch bei der hier vorliegenden Sportwette. Über die einem zukünftigen sportlichen Ereignis zugrundeliegenden Parameter kann sich jedermann heutzutage umfassend informieren. Aus der Tageszeitung, aus Sportzeitungen und seit einiger Zeit auch aus dem Internet können vielfältige Informationen über die jeweilige bei dem Sportereignis antretende Mannschaft erlangt werden, so z. B. die Frage der Krankheit von Spielern, das Abschneiden bei vorangegangenen Spielereignissen, die allgemeine Kondition der Mannschaft, antretende Spieler, bis hin ...

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