Nachgehend

BGH (Beschluss vom 25.05.2011; Aktenzeichen 4 StR 87/11)

OLG Hamm (Urteil vom 05.04.2011; Aktenzeichen 26 U 192/10)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Witwe und Alleinerbin des am 09.07.1937 geborenen und am 16.06.2009 in der Klinik der Beklagten verstorbenen Z. I.. Dieser befand sich in der Zeit von Anfang bis Mitte 2008 aufgrund einer Prostatahyperplasie und eines Urothelkarzinoms wiederholt in stationärer und vorstationärer Behandlung bei der Beklagten. Am 24.04.2008 wurde eine Nephroureterektomie rechts durchgeführt. In der Zeit vom 27.05. bis 17.07.2008 durchlief der Patient vier Zyklen Chemotherapie. Aufgrund eines Blasentumors erfolgte beim Ehemann der Klägerin am 05.05.2009 eine radikale Zystektomie mit Anlage einer Neoblase und eines Pouch-Katheters, ebenfalls im Haus der Beklagten. Der Patient verblieb auf der Intensivstation in einem Doppelzimmer bis zum 12.05.2009, danach wurde er in einem Einzelzimmer der Intensivstation isoliert. Der postoperative Verlauf verlief nicht komplikationslos. Bei dem Patienten wurden am ersten postoperativen Tag in einem Nasenabstrich Staphylokokken, Streptokokken und Corynebacterium species nachgewiesen. Vom 04.05. bis 09.05.2009 wurde der PCT-Wert nicht gemessen, am 13.05.2009 lag der Wert bei 18,92 ng/ml. In der Folge war ein hoher Bakterien- (unter anderem von ESBL-bildenden Stamm) und Pilzbefall, sowohl in der Wunde des Patienten als auch in dessen Blut, nachweisbar. Der Patient entwickelte trotz antibiotischer Behandlung unter anderem eine Sepsis und verstarb am 16.06.2009 infolge eines Herz-Kreislaufversagens nach drastischem Entzündungsanstieg.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 09.12.2009 auf, die nach § 23 I IfSG gesondert zu führenden Niederschriften als Kopie zu übersenden und die aktuelle Erregerresistenzstatistik für Mai und Juni 2009 desjenigen Labors zu übermitteln, mit dem die Klägerin zusammenarbeitet. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten lehnte mit Schreiben vom 21.01.2010 eine Herausgabe ab.

Die Klägerin vermutet ärztliche Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Missachtung von Hygieneschutzvorschriften und Infektionspräventionsmaßnahmen.

Sie behauptet, ihr Mann sei vom 05. bis 12.05.2009 auf einer normalen Intensivstation ohne Hygieneschutz- bzw. Infektionspräventionsmaßnahmen in einem Doppelzimmer mit einem weiteren von Bakterien befallenen Patienten behandelt worden. Der Zugang zum Patienten sei ohne sog. "Kittel- und Handschuhpflicht" möglich gewesen.

Die Klägerin beantragt,

  • 1.

    ihr Einsicht in die gem. § 23 I IfSG gesondert aufzuzeichnenden Niederschriften über die vom Robert-Koch-Institut nach 4 II Nr. 2b IfSG festgelegten nosokomialen Infektionen über das Auftreten von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen, welche die Beklagte für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 16.06.2009 geführt hat, zu gewähren,

  • 2.

    Kopien sämtlicher Erregerresistenzstatistiken des mit der Beklagten kooperierenden Labors für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 16.06.2009 an die Klägerin gegen Kostenerstattung herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Ehemann der Klägerin sei lege artis behandelt worden, insbesondere auch in der Zeit vom 05.-12.05.2009 auf der Intensivstation F 1. Es seien auf sämtlichen Intensivstationen der Beklagten die Standardhygienemaßnahmen eingehalten worden. Nach Befundeingang eines mikrobiologischen Erregers mit einer Resistenz gegen einzelne Antibiotika (ESBL) sei die weitere Therapie vorsorglich in einem Einzelzimmer nach den Prinzipien, wie bei einer Besiedelung mit MRSA-Erregern fortgeführt worden. Dies sei sinnvoll, aber nicht vorgeschrieben gewesen. Der Patient sei insgesamt umsichtig und zusätzlich zum gängigen Standard behandelt worden. Die Therapie mit Antibiotikum sei adäquat und richtig gewesen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Klägerin kein Herausgabeanspruch bezüglich der streitgegenständlichen Unterlagen zustehe, da die Unterlagen nicht nur ihren Ehemann beträfen, sondern auch andere Patienten der Beklagten. Ferner lasse sich aus dem Infektionsschutzgesetz kein Anspruch der Klägerin ableiten, da dieses Gesetz den Schutz der Allgemeinheit bezwecke und keine Individualinteressen schütze. Die Beklagte ist der Ansicht ein Herausgaberecht für die betreffenden Unterlagen resultiere auch nicht aus einem allgemeinen Informationsanspruch des Patienten, da sich dieser auf die Aufzeichnungen beschränke, die naturwissenschaftlich objektivierbare Befunde und Behandlungsfakten enthalte, die die Person des Patienten beträfen. Statistiken seien darunter nicht zu fassen. Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, ein Anspruch sei auch nicht aus § 810 BGB abzuleiten, da dieser voraussetze, dass die Herausgabe von Urkunden verlangt werde, die im In...

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