Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung eines Arbeitsverhältnisses wegen "Eigenart der Arbeitsleistung". Sonstige Umstände für eine Befristung wegen "Eigenart der Arbeitsleistung". Kein Fall des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG bei Tätigkeit eines geschäftsführenden Direktors eines campusübergeifenden Zentrums einer Klinik

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die "Eigenart der Arbeitsleistung" als Befristungsgrund ist in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG nicht näher bestimmt. Mit dieser Vorschrift sollte vor allem verfassungsrechtlichen, sich aus der Rundfunkfreiheit und der Freiheit der Kunst ergebenden Besonderheiten Rechnung getragen werden, ohne andere besondere Fallgruppen auszuschließen.

2. Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis durch außergewöhnliche Umstände geprägt ist, die ein berechtigtes Interesse der Parteien, vor allem des Arbeitgebers, an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung begründen können, etwa Verschleißtatbestände, das Abwechslungsbedürfnis des Publikums oder auch ein Wechselinteresse des Arbeitnehmers.

3. Ein geschäftsführender Direktor übt zwar eine herausragende und hervorgehobene Tätigkeit und Position in der Klinik aus. Er ist jedoch nicht für die Forschung, Wissenschaft und Lehre zuständig und auch kein wissenschaftlicher Mitarbeiter i.S.d. Art. 5 Abs. 3 GG. Der verwaltungstechnische Aufgabenbereich ist strikt in die Hierarchie des Klinikums eingebunden und unterliegt der Aufsicht der Zentrumsleitung und Weisungsgebundenheit. Allein die herausgehobene Stellung eines im Übrigen aber weisungsabhängig tätigen Mitarbeiters beinhaltet keine Eigenart eines bestimmten Arbeitsverhältnisses i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG.

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1, 3; HSG S-H §§ 82, 87; TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 01.07.2020; Aktenzeichen 4 Ca 89 öD a/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 01.06.2022; Aktenzeichen 7 AZR 151/21)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 01.07.2020 - 4 Ca 89 öD a/20 - geändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 24./29.06.2015 mit dem 31.12.2019 beendet ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Das beklagte Klinikum ist gemäß § 82 Abs. 1 des Hochschulgesetzes des Landes Schleswig-Holstein (HSG) eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Es wird gemäß § 87 Abs. 2 HSG durch den Vorstand vertreten. Dessen Aufgaben sind in § 87 Abs. 1 HSG und ergänzend in der Hauptsatzung des Klinikums geregelt. Das Klinikum gliedert sich nach § 82 Abs. 2 HSG in die nicht rechtsfähigen Anstalten Campus K... und Campus L.... Daneben sind nach § 82 Abs. 3 HSG zwei campusübergreifende Zentren gebildet: das Radiologiezentrum und das Diagnostikzentrum. Das Klinikum beschäftigt insgesamt ca. 12.000 Arbeitnehmer.

Die campusübergreifenden Zentren werden durch die Zentrumsleitung geführt. Dieser gehörten bis zu einer Änderung der Hauptsatzung im Jahr 2019 ein geschäftsführender Direktor mit Antrags- und Stimmrecht, ein weiterer (bei Approbation: ärztlicher) Direktor und ein pflegerischer Direktor beide ohne Stimmrecht an. Wegen weiterer Einzelheiten der Hauptsatzung zu der Organisation der Zentren wird auf die Anlage B6 verwiesen.

Die Rechtsstellung, Aufgaben und Organisation der Zentren wurde im Jahr 2015 durch die Zentrumsordnung vom 01.07.2012 geregelt. Nach § 3 Abs. 4.1 der Zentrumsordnung übt der geschäftsführende Direktor sein Amt hauptberuflich aus und wird vom Vorstand für fünf Jahre bestellt. Nach § 3 Abs. 5 der Zentrumsordnung ist er unter Einhaltung der Vorgaben des Vorstands und der mit diesem geschlossenen Zielvorgaben für das wirtschaftliche Ergebnis des Zentrums verantwortlich. Wegen der Aufgaben des geschäftsführenden Direktors wird auf § 10 Abs. 6 der Hauptsatzung (Anlage B 6) sowie die umfangreiche Aufstellung in § 3 Abs. 5 der Zentrumsordnung (Anlage B 10) verwiesen.

Der Kläger war zunächst auf Grundlage eines vom 01.07.2013 bis 30.6.2018 befristeten Arbeitsvertrags als geschäftsführender Direktor des campusübergreifenden Diagnostikzentrums und des campusübergreifenden Radiologiezentrums für das beklagte Klinikum tätig. Ausweislich § 1 Abs. 3 seines Arbeitsvertrags (Anlage K 1) betrug seine wöchentliche Arbeitszeit 42 Stunden. In der Einteilung seiner Arbeitszeit war der Kläger unter Berücksichtigung der dienstlichen Erfordernisse frei. Seine Bruttojahresvergütung betrug € 135.000,-- zuzüglich eines erfolgsabhängigen Bonus von € 30.000,-- brutto/Jahr bei 100%iger Zielerreichung. Mit Änderungsvertrag vom 24./29.06.2015 (Anlage K 4) vereinbarten die Parteien, dass der Kläger nunmehr vom 01.07.2013 bis zum 31.12.2019 als geschäftsführender Direktor der beiden campusübergreifenden Zentren tätig sein sollte. Sein Gehalt wurde au...

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