Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Abwahl der Geschäftsführerin eines Abwasserzweckverbandes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das zwischen einem Abwasserzweckverband und seiner Geschäftsführerin bestehende Rechtsverhältnis ist zumindest dann als Arbeitsverhältnis einzuordnen, wenn diese jederzeit dem Arbeitgeber zu seiner Verfügung zu stehen und seine Interessen wahrzunehmen hat und die Geschäftsführerin in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag als leitende Angestellte bezeichnet wird.

2. Eine neben der im Anstellungsvertrag geregelten Zeitbefristung zusätzlich vereinbarte Möglichkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Abwahl verstößt gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und ist damit unwirksam, wenn diese vorzeitige Beendigungsmöglichkeit im Vertragstext nicht deutlich erkennbar hervorgehoben ist.

3. Die im Anstellungsvertrag vorgesehene Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Verbandsgeschäftsführerin durch Abwahl ist nicht durch die Eigenart der Arbeitsleistung gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Ziff. 4 TzBfG gerechtfertigt, solange die die Gründe für die Abwahl nicht dem Belieben des Arbeitgebers entzogen sind.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Dessau (Entscheidung vom 04.08.2016; Aktenzeichen 5 Ca 33/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.06.2020; Aktenzeichen 7 AZR 398/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 04.08.2016 - 5 Ca 33/16 - teilweise abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis als Verbandsgeschäftsführerin durch die Abwahl der Klägerin als Verbandsgeschäftsführerin durch die Verbandsversammlung vom 16.03.2016 nicht beendet ist.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob der zwischen ihnen bestehende Geschäftsführervertrag durch die schriftliche Mitteilung der Abwahl der Klägerin beendet worden ist.

Die ... geborene Klägerin ist seit dem 01.08.2001 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom selben Tage (Anlage K1, Bl. 15 f d. A.) als vollbeschäftigte Angestellte tätig und wurde für diese Tätigkeit die Entgeltgruppe 9 TVöD-VKA vergütet. Bei dem Beklagten handelt es sich um einen Abwasserzweckverband, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Verbandsmitglieder sind die L..., die Stadt K... und die Stadt B..., es gilt die Verbandssatzung vom 02.03.2005/24.03.2005 in der aktuellen Fassung (Anlage K2, Bl. 17 ff d. A.).

Unter dem Datum 26.02.2015 schlossen die Parteien einen Geschäftsführervertrag ab (Anlage K3, Bl. 26 ff d. A.), der in den für die Entscheidung des Rechtsstreites wesentlichen Passagen folgenden Wortlaut hat:

"§ 2

Vertragsdauer

(1) Dieser Vertrag wird auf die Dauer von 7 Jahren geschlossen, beginnend ab dem 01.03.2015 und endet mit dem Ablauf des 28.02.2022, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Das Dienstverhältnis kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes schon vor Ablauf der gesetzlichen Vertragszeit gekündigt werden. Die Kündigung bedarf der Schriftform und der Zustellung.

(2) Die Verbandsversammlung kann die Verbandsgeschäftsführerin vor Ablauf der Wahlzeit gemäß Abs. 1 mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der satzungsmäßigen Stimmenanzahl der Verbandsversammlung abwählen. Die Möglichkeit der Abwahl besteht auch bei Gründen, die nicht in der Person der Verbandsgeschäftsführerin liegen. So kann auch der Wegfall der Verbandsgeschäftsführeraufgabe (z. B. bei Zusammenschlüssen mit anderen Aufgabenträgern) zur Abwahl führen. In diesem Fall endet das Anstellungsverhältnis mit Ablauf des Tages, an dem die Abwahl durch die Verbandsversammlung erfolgt.

(3) Während der Dauer der Geschäftsführertätigkeit ruht der Arbeitsvertrag vom 01.08.2001.

§ 3

Pflichten und Verantwortlichkeit

(1) Die Verbandsgeschäftsführerin hat die Geschäfte des Verbandes mit Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu führen und die ihr nach Gesetz, Verbandssatzung und diesem Vertrag obliegenden Pflichten gewissenhaft zu erfüllen.

(2) Die Verbandsgeschäftsführerin nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers i. S. der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften und Gesetze war. Sie ist leitende Angestellte.

§ 4

Arbeitszeit und Nebentätigkeit

(1) Die Verbandsgeschäftsführerin hat ihre volle Arbeitskraft sowie ihr ganzes Wissen und Können in den Dienst des Verbandes zu stellen. Sie ist in der Bestimmung der Arbeitszeit frei, hat jedoch jederzeit, sobald es das Wohl des Verbandes erfordert, zu seiner Verfügung zu stehen und seine Interessen wahrzunehmen.

(2) Während der Dauer dieses Vertrages bedarf jedwede entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit der Zustimmung des Verbandsausschusses. Dies gilt auch für Ämter in Aufsichtsgremien und Ehrenämtern in anderen Organisationen und Verbänden. Die zur Übernahme einer Nebentätigkeit oder eines Amtes erteilte Zustimmung ist jederzeit widerrufbar, wobei bestehende Fristvorschriften zu beachten sind.

§ 5

Vergütung, sonstige Leistungen des Ve...

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