Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Urteil vom 21.07.1994; Aktenzeichen 3 Ca 1740/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.01.1997; Aktenzeichen 6 AZR 859/95)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der beklagten Stadt wird dasUrteil desArbeitsgerichts Magdeburg vom21. Juli 1994 – 3 Ca 1740/94 – abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Anspruch der Klägerin auf Abfindung aus dem Tarifvertrag zur sozialen AbsicherungBAT-Ost – vom 6. Juli 1992.

Die am … 1941 geborene Klägerin war vom 23. Februar 1976 bis zum 31. Dezember 1993 bei der beklagten Stadt, zuletzt als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zu einem monatlichen Bruttolohn von 2.291,70 DM beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der beklagten Stadt. Die beklagte Stadt hatte der Klägerin mit Schreiben vom 11. Mai 1993 (Bl. 10 d.A.) eine Änderungskündigung zum 31. Dezember 1993 mit der Maßgabe ausgesprochen, sie mit Ablauf der Kündigungsfrist vom 1. Januar 1994 an mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden und zu einer Vergütung nach der Lohngruppe 1 des BMT-G-O als Reinigungskraft weiterzubeschäftigen. Die Klägerin nahm dieses Angebot nicht an. Sie schied mit Ablauf des 31. Dezember 1993 aus dem Arbeitsverhältnis mit der beklagten Stadt aus.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung (§ 2 des Arbeitsvertrages vom 1. Juli 1991 – Bl. 4/5 d.A.) und auch beiderseitiger Tarifbindung der Parteien der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G-O) vom 10. Dezember 1990 i. d. F. des 1. Ergänzungstarifvertrages vom 8. Mai 1991 und die zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dazu gehört der Tarifvertrag zur sozialen AbsicherungBAT-O – vom 6. Juli 1992 (nachfolgend: TV Sozsich).

Der TV Sozsich hat – soweit vorliegend von Interesse – folgenden Wortlaut:

㤠1

Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für die unter BAT-O, MTArb-O und BMT-G-O fallenden Arbeitnehmer.

§ 2

Abfindung

(1) Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt wird, weil

a) er wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist

oder

b) die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst wird oder bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle die bisherige oder eine anderweitige Verwendung nicht mehr möglich ist,

erhält eine Abfindung. …

(5) Eine Abfindung steht nicht zu, wenn

  1. Die Kündigung aus einem vom Arbeitnehmer zu vertretenden Grund (z. B. Ablehnung eines anderen angebotenen Arbeitsplatzes, es sei denn, daß ihm die Annahme nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise nicht zugemutet werden kann) erfolgt ist oder
  2. …”

Die Klägerin hat die beklagte Stadt mit Schreiben vom 21. Februar 1994 (Bl. 8 d.A.) „um die Zahlung der ihr zustehenden Abfindung” gebeten. Die beklagte Stadt hat ihr daraufhin mit Schreiben vom 3. März 1994 (Bl. 9 d.A.) mitgeteilt, daß nach ihrer Auffassung ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nicht bestehe und in der Folgezeit auch eine solche nicht gezahlt.

Die Klägerin hat daraufhin am 13. April 1994 beim Arbeitsgericht Magdeburg Klage erhoben. Sie hat im ersten Rechtszug die Auffassung vertreten, sie habe nach § 2 Abs. 1, 2 TV Sozsich vom 6. Juli 1992 Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 9.739,73 DM. Der Tatbestand des § 2 Abs. 5 lit. a TV Sozsich liege nicht vor. Das von der beklagten Stadt unterbreitete Angebot der wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden sei nicht zumutbar gewesen. Denn zum einen hätte sich bei dieser angebotenen Beschäftigung ein monatlicher Verdienst von 1.017,36 DM netto ergeben. Sie hätte damit einen Verlust von monatlich 612,29 DM hinnehmen müssen und weniger als 80 % ihres früheren Entgelts erhalten. Zum anderen wäre die Fahrzeit für die Hin- und Rückfahrt zwischen dem wohn- und Arbeitsort, gemessen an den nach der ständigen Arbeitsrechtsprechung für den Rückweg zumutbaren 2,5 Stunden, überschritten worden. Bei einer täglichen Arbeitszeit von 5 Stunden hätte sie nach Beendigung der Arbeit von ca. 11.30 Uhr bis 16.10 Uhr mehr als vier Stunden auf die Abfahrt des nächsten Busses warten müssen.

Die Klägerin hat beantragt,

die beklagte Stadt zu verurteilen, an sie 9.739,73 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 25.04.1994 zu zahlen.

Die beklagte Stadt hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im ersten Rechtszug die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe der geltend gemachte Abfindungsanspruch nach § 2 Abs. 5 lit. a TV Sozsich nicht zu. Denn sie habe einen angebotenen Arbeitsplatz abgelehnt, dessen Annahme ihr nach ihren Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise hätte zugemutet werden können. Nach dem Tarifwortlaut komme es bei der Zumutbarkeit des anderen Arbeitsplatzes ausschließlich auf die arbeitsplatzbezogene...

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