Entscheidungsstichwort (Thema)

ortsnahe Unterkünfte. Tarifauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bekommen auswärtig wohnende Arbeitnehmer für die Ableistung von Bereitschaftszeiten ortsnahe Unterkünfte gestellt, so handelt es sich bei den dort anfallenden Ruhezeiten ungeachtet derer rechtlichen Einordnung als Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst nicht um Zeiten der „beruflich bedingten Abwesenheit von der Wohnung” im Sinne von § 20 Abs. Satz 1 Zulagentarifvertrag DB AG, § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 3 EStG. Die zur Verfügung gestellte betriebsnahe Unterkunft der auswärtigen Arbeitnehmer ist die „Wohnung” im Sinne der tariflichen Regelung.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 Nr. 5. S. 3; Zulagentarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Deutschen Bahn AG § 20

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Urteil vom 10.10.2002; Aktenzeichen 12 Ca 2098/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.01.2004; Aktenzeichen 6 AZR 544/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des ArbG Magdeburg vom 10.10.2002 – 12 Ca 2098/01 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die tarifgebundenen Parteien streiten um die Berechnung der Höhe einer Verpflegungspauschale für s.g. Einsatzwechseltätigkeit gemäß § 20 des Zulagen-Tarifvertrages für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Deutschen Bahn AG (im Folgenden: ZTV) bei Dienst in Form von Einsatzbereitschaft.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Mitarbeiter Oberleitung im Netzbezirk 3/… beschäftigt. Er beginnt und beendet seine Arbeit regelmäßig auf dem Betriebsgelände in … wo er sich umzieht, wäscht, Geräte annimmt und abgibt sowie seine täglichen Arbeitsaufträge erhält. Die wesentliche Arbeitsleistung erbringt er gemäß dem Arbeitsanfall an den jeweiligen Streckenabschnitten im Netzbezirk. Etwa einmal im Monat leistet der Kläger für eine Woche Bereitschaft. Die hierzu eingeteilten Mitarbeiter müssen sich für außerhalb der Arbeitszeit auftretende Störungen zum Einsatz bereit halten. Hierbei müssen sie binnen 45 Minuten am Einsatzort sein bzw. eine „Eingreifzeit” von 30 Minuten einhalten. Während die in … und näherer Umgebung wohnenden Kollegen die Bereitschaft von ihrer Wohnung aus leisten, stellt die Beklagte dem Kläger, der in … wohnt (75 Minuten Fahrtzeit zum Betriebsgelände nach …), sowie weiteren Kollegen in vergleichbarer Lage für die Bereitschaftszeiten kostenlose Unterkünfte in …, zuletzt auf dem Betriebsgelände, zur Verfügung.

Für die Ableistung der Bereitschaft zahlt die Beklagte an ihre Mitarbeiter eine Rufbereitschaftszulage gemäß § 18 ZTV i.H.v. ca. 400,00–500,00 DM pro Monat. Außerdem gewährt sie für die jeweiligen Einsätze – sowohl in der regulären Arbeitszeit als auch in der Bereitschaftszeit – bei Erreichen der entsprechenden Abwesenheitszeiten eine Verpflegungspauschale gemäß § 20 ZTV, § 20 ZTV lautet auszugsweise:

„Einsatzwechseltätigkeit”

(1) Der Arbeitnehmer, der an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten eingesetzt wird (Einsatzwechseltätigkeit, z.B. Gleisbauarbeiter, Bau-, Montagearbeiter), erhält eine Verpflegungspauschale.

(2) Für die Höhe der Verpflegungspauschale ist allein die Dauer der beruflich bedingten Abwesenheit von der Wohnung am jeweiligen Kalendertag maßgebend.

Ist der Arbeitnehmer an einem Kalendertag mehrmals auswärts eingesetzt, sind die Abwesenheitszeiten an diesem Kalendertag zusammenzurechnen.

Sofern die Einsatzwechseltätigkeit nach 16.00 Uhr begonnen und vor 8.00 Uhr des nachfolgenden Kalendertages beendet wird, ohne dass eine Übernachtung stattfindet, wird die Einsatzwechseltätigkeit mit der gesamten Abwesenheitsdauer dem Kalendertag der überwiegenden Arbeitszeit zugerechnet.

(3) Die Pauschale für Verpflegungsmehraufwand beträgt für jeden Kalendertag

  1. bei einer Abwesenheit von weniger als 14 Stunden, aber mindestens 8 Stunden: 8,00 DM,
  2. bei einer Abwesenheit von weniger als 24 Stunden, aber mindestens 14 Stunden: 12,00 DM,
  3. bei einer Abwesenheit von 24 Stunden: 19,00 DM.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Tätigkeit des Klägers als Mitarbeiter Oberleitung im Netzbezirk Einsatzwechseltätigkeit im Tarifsinne darstellt. Der Kläger macht jedoch geltend, dass zur Berechnung der Höhe der Verpflegungspauschale bei Bereitschaft gemäß § 20 (2) Satz 1 ZTV sämtliche Zeiten der Abwesenheit von der Wohnung maßgebend seien. Das seien in seinem Fall wegen der gesonderten Unterbringung die Zeiten der Abwesenheit von seiner Privatwohnung in … und damit die gesamten Bereitschaftszeiten. Die Beklagte meint dagegen, dass bei Bereitschaft nur die einsatzbedingten Zeiten der Abwesenheit des Klägers von seiner Unterkunft in … zu berücksichtigen seien.

Mit Schreiben vom 22.01.2001 (Bl. 20 d.A.) forderte der Kläger die Beklagte zur Erfüllung seiner „tariflichen Ansprüche lt. Zulagen-TV der Arbeitnehmer der DB AG § 20 zur Zahlung der Einsatzwechseltätigkeit” auf. Dem Schreiben beigefügt waren die „Erfassungsbelege für die Ausbleibezeiten Bau-/Instandhaltungspersonal” der Monate Juli 2000 – Februar 2001, aus denen jeweils am rechten R...

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