Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch bei einem Verstoß gegen die katholische Glaubens- und Sittenlehre, ist die Wirksamkeit einer ordentlichen personenbedingten Kündigung einer im Arbeitsverhältnis mit der Deutschen Caritas stehenden Altenpflegerin von einer umfassenden Interessenabwägung abhängig.

2. Im Einzelfall kann der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht im Rahmen der Interessenabwägung Vorrang haben.

(Art. 140 GG i. Verb. 137 Abs. 3 WRV; Art. 6 Abs. 1 GG; § 1 Abs. 1 KSchG)

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Urteil vom 14.11.1990; Aktenzeichen 3 Ca 963/90)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 14.11.1990 (Aktz.: 3 Ca 963/90) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristgemäßen Arbeitgeberkündigung vom 27.08.1990 und im die Verpflichtung des Beklagten, die Klägerin weiterzubeschäftigen.

Die Klägerin ist bei dem Beklagten gemäß schriftlichem Anstellungsvertrag vom 15. Oktober 1982, als Altenpflegerin beschäftigt. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung war sie tätig im Altenheim St. W. in B. Sie bezog zuletzt ein Bruttoeinkommen von DM 2.715,00 bei einer Teilzeitbeschäftigung von wöchentlich 28,3 Stunden.

Die Klägerin ist katholisch, sie war standesamtlich und kirchlich verheiratet, diese Ehe wurde Ende 1983 rechtskräftig geschieden. Die Klägerin heiratete standesamtlich am 17.08.1990 ihren Lebensgefährten, mit dem sie ein gemeinsames Kind hat, welches im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung 4 Jahre alt war. Mittlerweile ist aus der Ehe ein weiteres Kind hervorgegangen. Mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung des Altenzentrums B. hat der Beklagte mit Schreiben vom 27. Aug. 1990 das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1990 ordentlich gekündigt und als Begründung angegeben:

„Am 17. August 1990 haben Sie wieder eins Ehe standesamtlich geschlossen.

Sie verstoßen hierdurch gegen die Grundsätze der katholischen Kirche. Wir beziehen uns auf § 6 des mit Ihnen geschlossenen Dienstvertrages und § 4 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR).

Wem dies auch ein Grund zur außerordentlichen Kündigung ist, verzichten wir zu Ihren Gunsten und kündigen unter Einhaltung der Kündigungsfrist.

Als weiteren Kündigungsgrund führen wir Ihre Schwierigkeiten im Umgang mit Ihren Kolleginnen und Bewohnern an, über die wir mit Ihnen schon gesprochen haben. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, daß der Unterzeichner am 21. August 1990 von einem Mitglied des Heimbeirates des Altenzentrums „M.” gebeten wurde, Sie nicht mehr auf der Pflegegruppe C einzusetzen.”

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 30. August 1990 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenen Kündigungschutzklage.

Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages finden die Arbeitsvertragsrichtlinien des deutschen Caritas-Verbandes (AVR) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. In § 6 des Arbeitsvertrages ist weiter wörtlich vereinbart:

„Die Parteien stimmen darin überein, daß ein grober äußerer Verstoß gegen kirchliche Grundsätze ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ist (§ 16 AVR).”

Bis zum März 1990 war die Klägerin im Altenzentrum des Beklagten in W. beschäftigt, wurde dann mit ihrer Zustimmung nach B. versetzt und war nach dem 01.01.1991 wiederum im Altenzentrum St. W., Pflegegruppe St. R. in W. tätig.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozialwidrig und damit rechtsunwirksam, einziger Grund der Kündigung sei die standesamtlich geschlossene Ehe, die jedoch, da sie kein Tendenzträger sei, kein Kündigungsgrund geben könnte. Soweit die Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe gestützt werde, fehle es an einer vorherigen vergeblichen Abmahnung. Das Kündigungsrecht sei verwirkt, sie habe schon mehrere Jahre in Kenntnis des Beklagten mit ihrem jetzigen Ehemann zusammengelebt, spätestens seit der Geburt des Kindes, sei dies dem Beklagten bekannt gewesen. Diesen Tatbestand habe der Beklagte 4 Jahre hingenommen, ohne dies zum Anlaß für eine Kündigung zu nehmen. Das Zusammenleben eines Paares ohne kirchliche Trauung widerspräche in gleichem Umfang den Grundsätzen der katholischen Kirche, wie ein Zusammenleben nach der standesamtlichen Trauung. Die Klägerin verweist weiter auf die Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin der Beklagten W. im Altenheim W. diese, katholisch, ist geschieden und wieder verheiratet und werde weiterbeschäftigt. Die Kündigung verstoße damit gegen das Gleichbehandlungsgebot.

Im übrigen bestreitet die Klägerin substantiiert Vorwürfe der Beklagten hinsichtlich arbeitsrechtlicher Schlechtleistungen. Sofern Medikamente verwechselt worden seien, sei dies ein Fehler der Küchenfrau, die im Auftrag des Beklagten Medikamente ausgeteilt habe. Es gehöre weiter nicht zu ihren Aufgaben, alte Menschen ins Bett zu bringen, so daß ein Vorwurf gegen sie, sie habe einmal eine Heimbewohnerin nicht ins Bett gebracht, unbegründet ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge