Entscheidungsstichwort (Thema)

Belästigung. Belästigung, sexuelle. Kündigung. Kündigung, ordentliche. Sexuelle Belästigung und ordentliche Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Sachverhalt kann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer eine Arbeitskollegin am Arbeitsplatz sexuell belästigt. Durch die sexuelle Belästigung verstößt er gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten und der Arbeitgeber hat gem. §§ 12 Abs. 3, 7 Abs. 1 S. 1 AGG die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Ob die sexuelle Belästigung dann zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, hängt von ihrem Umfang und ihrer Intensität ab.

 

Normenkette

AGG §§ 3, 3 Abs. 4; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 27.03.2008; Aktenzeichen 2 Ca 1784/07)

 

Tenor

I Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.03.2008, Az.: 2 Ca 1784/07 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 27.11.2007 weder fristlos noch unter Einhaltung der Kündigungsfrist, sondern durch das Kündigungsschreiben vom 30.11.2007 unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 29.02.2008 beendet worden ist.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.324,00 EUR festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen sowie einer ordentlichen Kündigung und um die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während des Kündigungsrechtsstreits.

Der am 24.02.1949 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 31.01.2000 bei der Beklagten, die mit regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmern GPS-basierte Positionierungstechnologien und -systeme entwickelt und vertreibt, als Arbeiter im Wareneingang gegen Zahlung eines monatlichen Arbeitsentgelts in Höhe von zuletzt 2.081,00 EUR brutto beschäftigt.

Am 30.09.2004 äußerte der Kläger in einem Gespräch mit seinem Arbeitskollegen Z über die Arbeitskollegin Y: „Wenn man die Y mausen wollte, müsste man erst drei Kilo Vorfotze auf die Seite räumen.” Daraufhin erhielt der Kläger die schriftliche Abmahnung vom 01.10.2004 (vgl. bl. 52 d.A.).

Gegenüber der Arbeitskollegin A. erklärte der Kläger im Beisein des Arbeitskollegen X am 15.11.2007: „Wenn der Ausschnitt noch ein bisschen größer wäre, würden dir die Äpfelchen rausfallen.”

Mit Schreiben vom 22.11.2007 (Bl. vgl. 93 ff. d.A.) hörte die Beklagte den bei ihr errichteten Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.

Sodann kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 27.11.2007 (Bl. 4 d.A.), das dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, das Beschäftigungsverhältnis fristlos und des Weiteren mit Schreiben vom 30.11.2007 (Bl. 5 d.A.), welches dem Kläger wiederum am selben Tag zugegangen ist, ordentlich zum 31.01.2008.

Mit seiner am 14.12.2008 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingegangenen Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit beider Kündigungen geltend gemacht und seine Weiterbeschäftigung während des Rechtsstreits verlangt.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrages wird auf die zusammenfassende Darstellung im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.03.2008 (dort S. 3 bis 5 = Bl. 152 bis 154 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.11.2007 bzw. 30.11.2007 beendet wird,
  2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Arbeiter im Wareneingang weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat in seinem Urteil vom 27.03.2008 (Bl. 150 ff. d.A.) der Klage vollumfänglich stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sowohl die fristlose als auch die ordentliche Kündigung seien nicht rechtswirksam geworden, da es an dem notwendigen Kündigungsgrund fehle. Soweit sich die Beklagte zur Begründung der Kündigung darauf berufe, der Kläger habe Frau A und Frau B. sexuell belästigt, sei eine solche Belästigung nicht festzustellen, da beide Mitarbeiterinnen die Unerwünschtheit des fraglichen Verhalten des Klägers nicht deutlich gemacht hätten. Dies sei aber gemäß § 3 Abs. 4 AGG Voraussetzung für das Vorliegen einer sexuellen Belästigung. Unabhängig hiervon sei eine Kündigung, angesichts des von...

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