Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründeter Auflösungsantrag der Arbeitnehmerin bei unzureichenden Darlegungen zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. An die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG sind geringere Anforderungen zu stellen als an eine arbeitnehmerseitige fristlose Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB).

2. Als Auflösungsgründe kommen nur solche Umstände in Betracht, die in einem inneren Zusammenhang mit der von der Arbeitgeberin erklärten sozialwidrigen Kündigung stehen oder die im Laufe des Kündigungsschutzrechtsstreits (etwa durch Äußerungen der Arbeitgeberin im Kündigungsschutzprozess) entstanden sind; die Unzumutbarkeit muss sich jedoch aus weiteren und vom eigentlichen Kündigungsvorwurf losgelösten Gründen ergeben, die von der Arbeitgeberin gesetzt werden, wobei diese Gründe noch in einem inneren Zusammenhang mit der Kündigung oder dem Kündigungsschutzprozess stehen müssen.

3. Auch wenn der mehrfache Vorwurf eines vertragswidrigen Verhaltens die für das Arbeitsverhältnis erforderliche vernünftige Zusammenarbeit der Vertragsparteien belastet, spricht im allgemeinen nichts dagegen, dass Umstände, die Gegenstand von Abmahnungen sind, aufgeklärt werden mit der Maßgabe, dass das Arbeitsverhältnis zur wechselseitigen Zufriedenheit fortgesetzt werden kann.

4. Beeinträchtigtes Vertrauen in die Redlichkeit einer Arbeitnehmerin kann durchaus zurückgewonnen werden; die Vertragsparteien haben es zudem jederzeit in der Hand, eine anderweitige einvernehmliche Lösung zu suchen.

5. Das Kündigungsschutzgesetz ist ein Bestandsschutzgesetz und kein Abfindungsgesetz.

 

Normenkette

KSchG §§ 13, 9, 13 Abs. 1 S. 3, § 9 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 15.01.2014; Aktenzeichen 4 Ca 1669/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.01.2014 - 4 Ca 1669/13 - hinsichtlich der Ziffer 1. aufgehoben:

Der Auflösungsantrag der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge hat zu 3/4 die Klägerin, zu 1/4 die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über einen Auflösungsantrag der Klägerin sowie Entgeltfortzahlungsansprüche.

Die Klägerin war seit Juni 2007 bei der Beklagten als Personaldisponentin beschäftigt. Mit Schreiben vom 29.08.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.10.2013. Nach Ausspruch der Kündigung gingen der Klägerin zwei Abmahnungen vom 16.08.2013 sowie der Entzug der eingeräumten Handlungsvollmacht zu.

Die Abmahnungen haben im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrte Frau C.,

wir haben erfahren, dass Sie am 24.06.2013 gegen Ihre Arbeitspflichten verstoßen haben.

An diesem Morgen hätten Sie Herrn M. zu einem Neukunden (XY in L.) bringen sollen. Zum einen sollte damit sichergestellt werden, dass der Mitarbeiter pünktlich und stressfrei zum Kunden kommt, aber eben auch, dass der Arbeitsplatz besichtigt wird, respektive alle offenen Punkte mit dem Ansprechpartner des Kunden geklärt werden können. Sie haben an diesem Morgen keine Einsatzbegleitung durchgeführt. Stattdessen haben Sie Ihren Freund zur Einsatzbegleitung geschickt. Dies bestätigte uns Herr M.. Ein solches Verhalten ist ein direkter Verstoß gegen Ihre Pflichten als Personalentscheidungsträger und wegen diesem gezeigten Verhalten sehen wir uns gezwungen Ihnen eine Abmahnung zu erteilen... "

"2. Abmahnung

Sehr geehrte Frau C.,

wir haben heute erfahren, dass Sie am 09.07.2013 und am 14.07.2013 gegen Ihre Arbeitspflichten verstoßen haben.

Am 09.07.2013 gaben Sie an, im Rahmen Ihres Außendienstes, die Firma E. besucht zu haben. Nach Rücksprache mit dem Kunden E., hier Frau S., wurde uns mitgeteilt, dass Sie dort nie erschienen sind und dort auch keine Akquise getätigt haben.

Am 14.07.2013 gaben Sie an, wiederum im Rahmen Ihres Außendienstes, unseren Mitarbeiter Herr L. gegen 18.00 Uhr besucht zu haben. Herr L. gab an, dass er von Ihnen zu keiner Zeit auf der Einsatzstelle besucht worden ist. Zudem war seine Arbeit gegen 16.00 Uhr zu Ende.

Erschwerend dazu haben Sie den Außendienst E. und Besuch bei Herrn L. abgerechnet und das Geld nachweislich empfangen. Eine weitere rechtliche Würdigung behalten wir uns vor."

Mit Schriftsatz vom 08.10.2013 hat die Beklagte ein Anerkenntnis der bis zum damaligen Zeitpunkt anhängigen Ansprüche (Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsantrag) erklärt.

Im Nachgang gingen der Klägerin zwei weitere Abmahnungen unter dem 17.10.2013 zu, die unter anderem folgenden Wortlaut haben:

"3. Abmahnung

Sehr geehrte Frau C.,

wir haben Sie mehrfach darauf hingewiesen, dass Sie verpflichtet sind sich am Tag der Krankheit bei uns im Betrieb zu melden und Ihre Krankheit anzuzeigen. Dem sind sie am 07.10.2013 und am 11.10.2013 wiederholt trotz vorheriger Ermahnung nicht nachgekommen...."

"4. Abmahung

Sehr geehrte Frau C.,

wir haben Sie mehrfach da...

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