Entscheidungsstichwort (Thema)

Abberufung eines Betriebsbeauftragten für Abfall. Direktionsrecht des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst. Keine Zuweisung einer niedriger bewerteten Tätigkeit kraft Direktionsrechts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beim Betriebsbeauftragten für Abfall handelt es sich um ein Funktionsamt. Die Abberufung des Betriebsbeauftragten für Abfall kann durch einseitigen Widerruf der Bestellung durch den Betreiber erfolgen.

2. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf alle Tätigkeiten, die die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen, in die der Arbeitnehmer eingestuft ist. Dem Arbeitnehmer können grundsätzlich auch neue Tätigkeiten zugewiesen werden, soweit sie den Merkmalen dieser Vergütungsgruppe entsprechen.

3. Das Arbeitsverhältnis genießt Bestandsschutz gegen eine inhaltliche Änderung der Tätigkeit. Der Arbeitgeber kann deshalb dem Arbeitnehmer auch dann keine niedriger zu bewertende Tätigkeit zuweisen, wenn er dennoch die höhere Vergütung zahlt, die der bisherigen Vergütung entspricht.

 

Normenkette

KrWG § 60; BImSchG §§ 55 ff.; BGB § 315; GewO § 106; ASiG § 9 Abs. 3 S. 1; BImSchG § 58; BetrVG § 102 Abs. 1; TVöD § 12 Anl. 1 EntgO EG 13

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 18.01.2022; Aktenzeichen 5 Ca 4538/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.10.2023; Aktenzeichen 5 AZR 68/23)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 18.01.2022 - Aktenzeichen 5 Ca 4538/19 - wie folgt abgeändert:

1. Der Feststellungsantrag des Klägers entsprechend Antrag 1 der Klageschrift wird abgewiesen.

2. Auf den Hilfsantrag des Klägers wird festgestellt, dass die Weisung der Beklagten vom 20.06.2018 mit der der Kläger ab 01.07.2018 in den Bereich Kh/BW (Bildung und Wissenschaft) versetzt wurde und mit der ihm Tätigkeiten als "KhBW, Stabsfunktion/Sachbearbeiter mit Sonderaufgaben" zugewiesen worden sind, unwirksam ist und der Kläger nicht verpflichtet ist, diese Tätigkeiten wahrzunehmen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte 51 %, der Kläger 49 %.

IV. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Abberufung als Betriebsbeauftragter für Abfall, die Wirksamkeit der Zuweisung einer Tätigkeit, das Bestehen eines Beschäftigungsanspruchs, das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs und um einen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn.

Der am 08.02.1960 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur (FH) und ausweislich des Arbeitsvertrages vom 15.12.1993 (Blatt 26 der Akte) seit dem 15.12.1993 bei dem Beklagten (einem selbstständigen Unternehmen der Stadt N...) mit einem Bruttomonatseinkommen in Höhe von ca. € 6.200,- beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 15.12.1993 (Anlage K 2 / Bl. 29 d.A.). Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser (TVöD-K) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Ursprünglich wurde der Kläger in die Vergütungsgruppe II BAT eingruppiert. Zwischenzeitlich wird er entsprechend der Entgeltgruppe 13 TVöD-K vergütet.

Die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 13 TVöD-K sind wie folgt festgelegt:

1. Beschäftigte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrung entsprechende Tätigkeiten ausüben.

2. Beschäftigte in kommunalen Einrichtungen und Betrieben, deren Tätigkeit wegen der Schwierigkeit der Aufgaben und der Größe ihrer Verantwortung ebenso zu bewerten ist, wie Tätigkeiten nach der Fallgruppe 1.

Mit Urkunde vom 07.03.1994 (Anlage K 3/ Blatt 27 f. d.A.) wurde der Kläger durch den Beklagten zum Betriebsbeauftragten für Abfall ernannt. Diese Bestellung wurde mit Wirkung zum 01.01.1998 nochmals vorgenommen (Anlage K 4 / Bl. 29 d.A.).

Die Parteien haben am 20.06.2002 einen weiteren Arbeitsvertrag (Anlage K 14 / Bl. 72 d.A.) geschlossen. In diesem ist neben der Geltung der für den Beklagten maßgebenden Tarifverträge vereinbart, dass der Kläger mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von einer Stunde (Regelstundenmaß zur Zeit 27 Stunden) an einer Schule des Beklagten als Lehrkraft beschäftigt wird. Die jeweiligen Einsätze werden gesondert vereinbart. Die Bezahlung erfolgt auf der Grundlage der tatsächlichen Arbeitsleistung. Die Eingruppierung erfolgt in die Vergütungsgruppe IV b BAT und die Bezüge werden zwei Kalendermonate nach der erbrachten Arbeitsleistung fällig.

Mit Schreiben vom 31.03.2017 (Anlage K 6 / Bl. 32 d.A.) wurde die Bestellung des Klägers als Betriebsbeauftragter für Abfall widerrufen. Mit Wirkung zum 01.04.2017 wurde durch den Beklagten ein externer Betriebsbeauftragter für Abfall bestellt.

Im Anschluss fanden zwischen den Parteien Gespräche über e...

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