Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung im Kündigungsschutzprozeß als Vermögenswert bei Prozeßkostenhilfe. Feststellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine vom Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozeß im Vergleichswege erzielte Abfindung stellt grundsätzlich einen nach § 115 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähigen Vermögenswert dar.

2. Ob der Einsatz einer die Schongrenze des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG übersteigenden Abfindung dem Arbeitnehmer zuzumuten ist, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Dabei kommt es entscheidend auf die Höhe der Abfindung, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt an.

 

Normenkette

ZPO §§ 115, 120 Abs. 4; BSHG § 88

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 13.02.1989; Aktenzeichen 12 Ca 2247/88)

 

Tenor

Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 13.02.1989 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Mit der am 01.03.1989 beim Arbeitsgericht für die Staatskasse eingelegten Erinnerung erstrebt der Bezirksrevisor die Aufhebung des Prozeßkostenhilfe-Bewilligungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 10.05.1988 mit der Begründung, daß der Kläger gemäß Ziff. 2 des am 10.05.1988 vor dem Arbeitsgericht abgeschlossenen Vergleichs eine Abfindung in Höhe von M 17.500,– brutto gleich netto zu beanspruchen habe und diese zumindest in Höhe von 10 % zur Deckung der Prozeßkosten einsetzen müsse.

Der Rechtspfleger hat mit Beschluß vom 13.02.1989 den Antrag des Bezirksrevisors zurückgewiesen, der hiergegen eingelegten Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem zuständigen Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt. Auch dieser hat mit Beschluß vom 21.03.1989 der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 11 Abs. 2 Satz 5 RPflG als Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtspflegers geltende Erinnerung ist zulässig (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der Rechtspfleger des Arbeitsgerichts hat den auf § 120 Abs. 4 ZPO gestützten Antrag des Bezirksrevisors, der als Antrog auf Anordnung von Zahlungen aus dem Vermögen des Klägers auszulegen ist, zu Recht zurückgewiesen, da dem Kläger der Einsatz der ihm aufgrund des Vergleichs vom 10.05.1988 zufließenden Abfindung zur Deckung der entstandenen Prozeßkosten nicht zugemutet werden kann.

1. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob und in welchem Umfang eine dem Arbeitnehmer zufließende Kündigungsschutzabfindung bei der Feststellung der wirtschaftlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Prozeßkostenhilfe zu berücksichtigen ist.

Für eine grundsätzliche Anrechnung von Abfindungen als Vermögen haben sich das Landesarbeitsgericht Berlin (LAGE § 115 ZPO Nr. 6 = BB 1983, 2187) und das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAGE § 115 ZPO Nr. 25) ausgesprochen. Nach anderer Ansicht sollen Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht dem Vermögen, sondern dem Einkommen zuzurechnen sein, weil sie dem (teilweisen) Ausgleich des laufenden Einkommens aus dem Arbeitsverhältnis dienen (Kalthoener/Büttner, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 1988, Rz. 205 und 296). Wird allerdings alsbald ein neuer Arbeitsplatz gefunden, der ein Einkommen in der bisherigen Höhe bietet, dann soll nach dieser Ansicht die nicht verbrauchte Abfindung zum Vermögen werden. Abgelehnt wird eine Anrechnung von Abfindung dagegen im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung von den Landesarbeitsgerichten Bremen (NJW 1983, 248; LAGE § 115 ZPO Nr. 29). Berlin (NJW 1981, 2775) und Hamburg (BB 1980, 1801) sowie auch überwiegend im Schrifttum (vgl. Zöller-Schneider, ZPO, 15. Aufl., § 115 Rz. 39; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 114 Anm. 5 D unter „Abfindung”). Demgegenüber vertritt das Landesarbeitsgericht Köln (LAGE § 115 ZPO Nr. 30) die Auffassung, daß die Heranziehung einer „echten” Kündigungsabfindung in der Regel bis zu 10 % des Abfindungsbetrages zumutbar sei, während eine Abfindung, die als verdeckte Zahlung auf Vergütungsansprüche anzusehen sei, unbeschränkt als Vermögen gemäß § 115 Abs. 2 ZPO berücksichtigt werden könne. Das Landesarbeitsgericht Frankfurt (LAGE § 115 ZPO Nr. 28) schließlich vertritt die Ansicht, eine Kündigungsabfindung sei nicht stets „automatisch” als Vermögen des Antragstellers einzusetzen; ob und inwieweit das im konkreten Fall zu geschehen habe, bestimme sich nach § 115 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 88 BSHG.

2. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts stellt eine Kündigungsschutzabfindung zwar grundsätzlich einen berücksichtigungsfähigen Vermögenswert dar; denn zum Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 2 Halbs. 1 ZPO gehören nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen – wie die Bezugnahme auf § 88 BSHG ergibt – alle in Geld schätzbaren und verwertbaren Güter (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 115 Anm. 5 a). Gleichwohl kann eine solche Abfindung im Hinblick auf ihre besondere Zweckbestimmung nicht generell oberhalb der Schongrenze des § 88 Abs. ...

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