Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierungssystematik im TVöD/VKA. Bestimmung des Arbeitsvorgangs als Bezugspunkt der tariflichen Eingruppierung. Darlegungs- und Beweislast im Eingruppierungsprozess. Das tarifliche Heraushebungsmerkmal "Bedeutung eines Aufgabengebiets"

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 12 Abs. 2 Sätze 1 und 2 TVöD-K/VKA ist der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dies ist der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Jeder Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf hinsichtlich der Anforderungen nicht aufgespalten werden.

2. Maßgebend für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden.

3. Der Beschäftigte muss die tatsächlichen Voraussetzungen einer von ihm klageweise begehrten Eingruppierung im Prozess darlegen und beweisen.

4. Eine Bedeutung des Aufgabengebiets kann sich ergeben durch die Besonderheiten der Menschenführung und des Personaleinsatzes, durch die Bearbeitung besonders wichtiger oder grundsätzlicher Fachbereiche, durch die Größe des Aufgabengebiets, durch die finanzielle Verantwortung, durch die richtungsweisende Bedeutung der Aufgabenstellung und von Entscheidungen für nachgeordnete Behörden oder durch Auswirkungen auf die Allgemeinheit oder Lebensverhältnisse Dritter.

 

Normenkette

TVöD/VKA § 13 Abs. 2; TVÜ/VKA § 29b; TVöD-VKA EntgO EG 10-11

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 12.01.2022; Aktenzeichen 8 Ca 257/21 E)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.08.2023; Aktenzeichen 4 AZR 339/22)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 12.01.2022 - 8 Ca 257/21 E - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin ist seit dem 30.09.2005 bei der beklagten L. beschäftigt (Arbeitsvertrag Bl. 5 d. A.). Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der TVöD in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung Anwendung. Seit dem 15. September 2017 ist die Klägerin aufgrund des Änderungsvertrages vom 27. September 2017 (Bl. 6 d. A.) im Sachgebiet Finanzen und Abwicklung Grundstücksverkehr als Sachgebietsleiterin tätig.

Die Klägerin wird nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 4 TVöD-VKA vergütet. Ihr sind sieben Mitarbeiter unterstellt, gegenüber denen sie die Dienst- und Fachaufsicht ausübt und weisungsbefugt ist.

Die von der Klägerin auszuführenden Tätigkeiten sind in der von der beklagten L. erstellten Arbeitsplatzbeschreibung aus Dezember 2020 (Bl. 30 - 38 d. A.) aufgeführt, auf die Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 30.03.2021 (Bl. 8 d. A.) stellte die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung der tariflichen Bewertung ihrer Stelle. Eine Höhergruppierung lehnte die beklagte L. mit Schreiben vom 04.08.2021 (Bl. 9 d. A.) ab.

Mit ihrer am 30.09.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die beklagte L. verpflichtet sei, sie nach der Entgeltgruppe 11 TVöD-VKA zu vergüten. Weiterhin macht sie - nach erfolgter Klageänderung - die Nachzahlung der von ihr errechneten Differenz ab dem 01.09.2020 zwischen der begehrten Grundvergütung nach der Entgeltgruppe 11 TVöD-VKA und der an sie gezahlten Grundvergütung nach der Entgeltgruppe 10TVöD-VKA geltend.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die von ihr geschuldeten Tätigkeiten stellten einen einzigen Arbeitsvorgang dar. In der Arbeitsplatzbeschreibung der beklagten L. würden zwar drei Arbeitsvorgänge beschrieben, allerdings trage die Stelle der Klägerin die Funktionsbezeichnung "Sachgebietsleiterin". Leitung sei die Verbindung von Aufgaben der Planung, Organisation, Anweisung, Koordination und Kontrolle, dh. die organisatorische Gesamtzuständigkeit für die übertragene Aufgabe. Bestehe eine Dienst- bzw. eine Fachaufsicht über weitere Beschäftigte, so setze dies die Aufsicht während der ganzen Arbeitszeit voraus, auch wenn die Leitungskraft mit anderen Aufgaben beschäftigt sei. Es sei unbeachtlich, wann und wie oft die Klägerin als Leitungskraft tätig werde, wenn sie nur jederzeit und sofort in der Lage sei, aktiv durch Erteilung der erforderlichen Anordnungen und fachlichen Weisungen einzugreifen. Die Leitungstätigkeit könne daher regelmäßig nicht in verschiedene Arbeits...

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