Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung einer Sozialplanabfindung. Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz. Frauendiskriminierung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bemessung einer Sozialplanabfindung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit unter Ausschluss der Zeiten des Erziehungsurlaubs ist wirksam.

 

Normenkette

BetrVG § 75 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 20.07.2001; Aktenzeichen 3 Ca 2512/01)

 

Tenor

1. Die Berufungen der Klägerinnen gegen die Urteile des Arbeitsgerichts München vom 20.07.2001 –3 Ca 2497/01,3 Ca 2498/01,3 Ca 2499/01,3 Ca 2508/01,3 Ca 2500/01,3 Ca 2501/01,3 Ca 2502/01,3 Ca 2503/01,3 Ca 2504/01,3 Ca 2505/01,3 Ca 2506/01,3 Ca 2507/01,3 Ca 2510/01 und3 Ca 2512/01 – werden kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision der Klägerinnen wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.

Die Klägerinnen waren in einem Betrieb beschäftigt, der mit Wirkung vom 31.10.2000 stillgelegt worden ist. In diesem Betrieb waren insgesamt etwa 280 Arbeitnehmer beschäftigt, sieben Männer, im Übrigen Frauen.

Wegen der beabsichtigten Betriebsstilllegung vereinbarten die Betriebsparteien – auf Vorschlag der dafür zuständigen tariflichen Schlichtungsstelle – den Sozialplan vom 17.01.2000 (Blatt 25 ff der Ausgangsakte 3 Ca 2497/01), der im Wesentlichen eine Abfindungsregelung enthält Gemäß Nr. 3 dieses Sozialplanes ist vorgeschrieben, dass jeder Mitarbeiter „pro Jahr der Betriebszugehörigkeit 55 % seines Monatsverdienstes” als Abfindung erhält, wobei „Zeiten … des Erziehungsurlaubs … bei der Ermittlung der Betriebszugehörigkeit unberücksichtigt” bleiben. In den Geltungsbereich dieses Sozialplans fielen etwa 200 Frauen und ein Mann, der keinen Erziehungsurlaub beansprucht hatte.

Die Klägerinnen haben nach diesem Sozialplan eine Abfindung erhalten, bei deren Bemessung ihre Erziehungsurlaubszeiten unberücksichtigt geblieben sind.

Die Klägerinnen haben die Unwirksamkeit der entsprechenden Bemessungsregelung des Sozialplans geltend gemacht und die Beträge eingeklagt, die sich aus der jeweiligen Differenz zwischen der bei Berücksichtigung der gesamten Dauer der Betriebszugehörigkeit – unter Einschluss der Erziehungsurlaubszeiten – geschuldeten Abfindung und der tatsächlich gezahlten Abfindung ergeben.

Das Arbeitsgericht hat die Klagen durch die angefochtenen Urteile abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die streitige Bemessungsregelung wirksam sei. Im Übrigen wird auf diese Urteile Bezug genommen.

Die Klägerinnen machen auch in der Berufungsinstanz die Unwirksamkeit dieser Bemessungsregelung und die daraus folgenden Differenzzahlungsansprüche geltend.

Sie beantragen die Aufhebung der angefochtenen Urteile und die Verurteilung der Beklagten, an die Klägerinnen

DM 1.852,98

DM 5.586,59

DM 7.751,09

DM 4.288,67

DM 712,89

DM 7.013,13

DM 5.904,73

DM 4.328,09

DM 4.198,26

DM 3.767,13

DM 5.499,42

DM 753,86

nebst jeweils 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 29.01.2001 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufungen unter Berufung auf die Wirksamkeit der streitigen Bemessungsregelung.

Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründungen und -beantwortungen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufungen sind zulässig, aber nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klagen jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die Klageansprüche auf eine höhere Sozialplanabfindung sind nicht begründet, weil die im Sozialplan auf Grund § 112 Abs. 1 BetrVG vereinbarte Bemessung der Abfindung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit unter Ausschluss der Zeiten des Erziehungsurlaubs aus keinem Grunde unwirksam ist.

Die Benachteiligung der Arbeitnehmer mit Erziehungsurlaubszeiten während ihrer Betriebszugehörigkeit verstößt insbesondere nicht gegen § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

Die Benachteiligung der Arbeitnehmer mit Erziehungsurlaubszeiten verstößt zum einen nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, weil diese Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist. Allerdings muss die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern bei der Bemessung der Sozialplanabfindung auch nach dem durch § 112 Abs. 1 BetrVG festgelegten Zweck des Sozialplans, künftige wirtschaftliche Nachteile, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können, durch eine Überbrückungshilfe auszugleichen oder zu mildern, sachlich gerechtfertigt sein. Die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer durch die Bemessung der Sozialplanabfindung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit ist aber – als pauschale Bewertung der durch den Arbeitsplatzverlust verursachten künftigen wirtschaftlichen Nachteile – auch nach diesem Sozialplanzweck sachlich gerechtfertigt (ständige Rspr. des BAG; vgl. zuletzt etwa BAG 14.08.2001 EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 108). Dementsprechend ist es auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. wenn bei der Bemessung der Sozialplanabfindung nur Zeiten der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit berücksichtigt ...

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