Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifauslegung. Bezahlung vom Tarifverhandlungen. Tarifverträge für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

 

Leitsatz (amtlich)

Tarifverhandlungen sind keine „Zusammenkünfte gewerkschaftlicher Art”.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 07.05.1996; Aktenzeichen 12 Ca 12960/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.04.1999; Aktenzeichen 3 AZR 352/97)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 07.05.1996 – Az.: 12 Ca 12960/95 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für Zeiten, an denen er an der Arbeitsleistung durch Teilnahme an Tarifverhandlungen verhindert ist, die Vergütung fortzubezahlen.

Der Kläger ist Mitglied und ehrenamtlicher Funktionär der K. und … und als solcher unter anderem Mitglied im Tarifausschuß des …, des Tarifausschusses öffentlich-rechtlicher Rundfunk und der von der Gewerkschaft beauftragte Spezialist für die betriebliche Altersversorgung im Gesamtbereich der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (…). Er ist bei der Beklagten gegen ein Gehalt von rund DM 10.000,– im Monat angestellt.

Die Beklagte ist eine Gesellschaft, deren Gesellschafter ausschließlich öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in Deutschland, der Schweiz und Österreich sind. Jedenfalls die deutschen Gesellschafter finanzieren sich überwiegend durch Zwangsgebühren und werden von den jeweiligen Landesrechnungshöfen überwacht.

Die Beklagte und zwei weitere rechtlich selbständige Einrichtungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in München und Nürnberg einerseits sowie die Rundfunk-Fernseh-Film-Union im DGB, eine der Rechtsvorgängerinnen der IG Medien, andererseits haben im Jahre 1975 einen gemeinsamen Haustarifvertrag (im weiteren MTV) geschlossen, der in Zif. 362.12 lautet:

Ferner hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung für die Dauer der notwendigen Abwesenheit:

Zur Teilnahme an Zusammenkünften gewerkschaftlicher Art. sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.

Hierzu haben die Tarifvertragsparteien folgende Protokollnotiz vereinbart:

Unter Zusammenkünften gewerkschaftlicher Art. werden hierbei solche Zusammenkünfte verstanden, die von gewerkschaftlichen Organen oder Gliederungen zur gewerkschaftliche Zwecken veranstaltet werden.

Seit dem Jahre 1991 hat der Kläger an Tarifverhandlungen im Gesamtbereich der … im wechselndem Umfang teilgenommen. Die Beklagte hat für Zeiten, in denen der Kläger deswegen seine Arbeitsleistung nicht erbringen konnte, die Vergütung fortbezahlt. Hierzu behauptet der Kläger, dies sei schon bei seinem Vorgänger in der Gewerkschaftsfunktion, der ebenfalls bei der Beklagten angestellt War, seit dem Jahre 1977 ebenso gehandhabt worden.

Die Beklagte hat dem Kläger im Juli 1995 DM 1.985,25 brutto und im März 1996 DM 1.169,45 netto vom Gehalt mit der Begründung abgezogen, der Kläger habe in jeweils vorangegangenen Monaten seine Arbeitsleistung im Hinblick auf Tarifverhandlungen nicht im vollen Umfang erbracht, aber gleichwohl das volle Gehalt bezogen. Die Berechnung der Beträge, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger hält den Abzug für nicht gerechtfertigt. Er ist der Meinung, er habe auf Grund des Tarifvertrages einen Anspruch auf bezahlte Freistellung für Tarifverhandlungen. Hierfür spreche auch die langjährige tarifliche Übung. Auf jeden Fall aber folge sein Anspruch aus einer betrieblichen Übung, die bei der Beklagten entstanden sei. Auch die Gesellschafter der Beklagten würden ihre Mitarbeiter für Tarifverhandlungen von der Arbeit freistellen.

Der Kläger hat beantragt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.985,25 brutto nebst 4 % Zins aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 2.8.1995 zu bezahlen.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.169,45 netto nebst 4 % Zins hieraus seit dem 1.3.1996 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Anspruch des Klägers ergebe sich gerade nicht aus dem Tarifvertrag. Sie habe die durch Tarifverhandlungen bedingten Abwesenheitszeiten irrtümlich vergütet. Erst als der Kläger 1995 weit häufiger als zuvor auf Grund von Tarifverhandlungen die Arbeit versäumt habe und im Hinblick auf die verstärkten Forderungen, sparsam mit den Rundfunkgebühren der Bürger umzugehen, habe sie die Rechtslage vom Justitiar eines Gesellschafters, des …, überprüfen lassen und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß dem Kläger für Tarifverhandlungen bezahlte Freizeit nicht zustehe.

Mit Endurteil vom 7.5.1996 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung durch das Erstgericht wird auf sein Urteil Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 2.9.1996 zugestellte Urteil am 1.10.1996 Berufung einlegen und die Berufung nach Verlängerung der Beru...

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