Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzahlung. Freiwilligkeitsvorbehalt. Entgeltcharakter. Kürzung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 4b EFZG ermöglicht eine Kürzung einer Sonderzahlung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nur unter den dort genannten Voraussetzungen, und zwar auch dann, wenn die Sonderzahlung unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit steht.

 

Normenkette

EGFZG § 4b

 

Verfahrensgang

ArbG Rosenheim (Urteil vom 18.07.2002; Aktenzeichen 4 Ca 1794/01)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Rosenheim vom 18.7.2002 – 4 Ca 1794/01 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sondervergütung.

Die Klägerin ist seit 1.8.1997 beim Beklagten, der Altenpflegeheime betreibt, als Pflegehelferin beschäftigt. In § 5 des schriftlichen Arbeitsvertrages ist die monatliche Vergütung geregelt (sie betrug zuletzt DM 3.000,– brutto = EUR 1.533,88) und in § 6 befindet sich eine Regelung über „sonstige betriebliche Leistungen” mit folgendem Wortlaut:

  • • Solange das Arbeitsverhältnis ungekündigt ist und der/die Arbeitnehmer/in seine/ihre Dienste erbringt, erhält er jeweils am 30.6. und 30.11. des Jahres je ein halbes Monatsgehalt zusätzlich.
  • • Falls das Arbeitsverhältnis zu den jeweiligen Stichtagen weniger als ein halbes Jahr bestanden hat, werden die oben genannten Beträge anteilig berechnet.
  • • Die Zahlung der vorerwähnten halben Gehälter liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch des/der Arbeitnehmers/in, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgte.
  • • Der/Die Arbeitnehmer/in ist verpflichtet, jeweils 50 % des bezahlten halben Gehaltes an den Arbeitgeber zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Grund Arbeitnehmerkündigung oder aus vom/von der Arbeitnehmer/in zu vertretenden Gründen zum 30.9. des Bezugsjahres bzw. 31.3. des Folgejahres endet.

Der Beklagte hat der Klägerin im Juni 2001 entgegen § 6 des Arbeitsvertrages nicht ein halbes Gehalt von DM 1.500,– brutto zusätzlich bezahlt, sondern nur DM 775,– brutto.

Der Beklagte hat die Sonderzahlung gekürzt, weil die Klägerin in der Zeit vom 6.12. bis 15.12.2000 und vom 9.4. bis 27.4.2001 arbeitsunfähig krank war (vgl. hierzu Bl. 17 d. A.).

In ihrer Klage zum Arbeitsgericht Rosenheim ist die Klägerin der Auffassung, die Kürzung der Sonderzahlung sei gemäß § 4a EFZG unzulässig, da die nach dieser Bestimmung nötige Kürzungsvereinbarung nicht vorliege.

Die Klägerin beantragte vor dem Arbeitsgericht:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 370,69 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basis-Zinssatz seit 1.7.2001 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragte dagegen die kostenpflichtige Klageabweisung. Er trug vor, er sei auf Grund des arbeitsvertraglich vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehaltes zur Kürzung der Sonderzahlung berechtigt. Laut § 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrages handele es sich bei der halbjährlichen Sonderzahlung ausdrücklich um eine anwesenheitsbezogene Sonderzahlung. Auch § 4a EFZG besage, dass es zulässig sei, Sondervergütungen bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zu kürzen. Die Mitarbeiter seien über die beabsichtigten Kürzungen der Sonderzahlungen durch einen Aushang im Oktober 2000 (Fotokopie Bl. 36 d. A.) und auch durch ein Rundschreiben per e-mail informiert worden.

Das Arbeitsgericht Rosenheim hat durch Endurteil vom 18.7.2002 der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Kürzung verstoße mangels einer Kürzungsvereinbarung gegen § 4a EFZG.

Bezüglich des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichtes im Einzelnen wird auf den Inhalt des Endurteiles des Arbeitsgerichtes Rosenheim vom 18.7.2002 (Bl. 63–71 d. A.) verwiesen.

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil, das ihm am 4.10.2002 zugestellt wurde, am 4.11.2002 Berufung eingelegt und diese am 4.12.2002 auch begründet.

Er begehrt, das Urteil des Arbeitsgerichtes Rosenheim vom 18.7.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin begehrt dagegen die kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Bezüglich des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt des Schriftsatzes des Beklagten vom 4.12.2002 (Bl. 94–98 d. A.) und der Klägerin vom 7.1.2003 (Bl. 102/103 d. A.) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Rosenheim vom 18.7.2002 ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, da die vom Beklagten vorgenommene Kürzung der Sonderzahlung im Juni 2001 gegen § 4a EFZG verstößt und damit gemäß § 134 BGB rechtsunwirksam ist.

1. Gemäß § 6 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 31.7.1997 erhält die Klägerin, solange das Arbeitsverhältnis ungekündigt ist und sie ihre Dienste erbringt, jeweils am 30.6. und 30.11. des Jahres ein halbes Monatsgehalt zusätzlich.

Der Beklagte hat der Klägerin im Juni 200...

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