Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründete Kündigungsschutzklage bei außerordentlicher Kündigung durch Insolvenzverwalter nach Betriebsübergang. Betriebsübergang der "Fleischzerlegung" durch Auftragsnachfolge unter Übernahme eines wesentlichen Teils der Belegschaft. Rechtwidrige Aufrechnung des Arbeitgebers gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nach der der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) ein Arbeitsverhältnis zu dem Kündigenden besteht. Das gilt auch im Falle eines möglichen Betriebsübergangs. Die Kündigung des Altarbeitgebers nach Betriebsübertragung auf einen Neuarbeitgeber geht mangels eines zwischen den Prozessparteien bestehenden Arbeitsverhältnisses ins Leere; eine gleichwohl erhobene Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer solchen Kündigung ist damit unbegründet, denn ein Arbeitsverhältnis besteht nicht mehr (BAG 15. Dezember 2005 - 8 AZR 202/05 - AP Nr. 294 zu § 613a BGB = NZA 2006, 597; BAG 20. März 2003 - 8 AZR 312/02 - NJW 2003, 3581 = NZA 2003, 1338 = ZIP 2003, 1557; BAG 18. April 2002 - 8 AZR 346/01 - AP Nr. 232 zu § 613a BGB = NZA 2002, 1207 = NZI 2002, 620; vgl. auch ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 175 und ErfK-Kiel § 4 KSchG RNr. 19).
2. Die bloße Auftragsnachfolge stellt für sich genommen keinen Betriebsübergang dar (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 37). Entscheidend wird vielmehr darauf abgestellt, ob eine "wirtschaftliche Einheit" den Inhaber gewechselt hat und der Neuinhaber diese Einheit in gleicher Weise oder zumindest in vergleichbarer Weise wie der Altinhaber für seine wirtschaftlichen Zwecke nutzt, die wirtschaftliche Einheit also ihre Identität, ihren Wiedererkennungswert, wahrt. Entscheidend ist demnach, ob durch die Übernahme des wesentlichen Personals gleichzeitig auch die Arbeitsorganisation und die Betriebsmethoden übernommen werden (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 28).
3. Gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn die Höhe der Abzüge ist bekannt. Denn andernfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Der Umfang der Rechtskraft darf nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund der Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist (BAG 16. März 1994 - 5 AZR 411/92 - und BAG 13. November 1980 - 5 AZR 572/78 ; so auch BAG 5. Dezember 2002 - 6 AZR 569/01 - AP Nr. 32 zu § 394 BGB = NJW 2003, 2189 = NZA 2003, 802 für den umgekehrten Fall, dass der Arbeitnehmer seine Brutto-Lohnforderung gegen eine Arbeitgeberforderung zur Aufrechnung stellt; vgl. auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 30. August 2011 - 5 Sa 11/11).
Normenkette
BGB §§ 387, 613a; KSchG § 4; ZPO § 322 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 13.03.2014; Aktenzeichen 6 Ca 1621/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 13. März 2014 zum Aktenzeichen 6 Ca 1621/13 teilweise wie folgt abgeändert.
a) Der Kündigungsschutzantrag (Urteilstenor zu 1) wird abgewiesen;
b) die Klage wird hinsichtlich des Urteilstenors zu 2 abgewiesen, soweit das Arbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung von mehr als 2.011,25 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. September 2013 verurteilt hat;
c) die Kosten des Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht (Urteilstenor zu 3) trägt der Kläger zu 35 Prozent und im Übrigen der Beklagte.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 70 Prozent. Die übrigen Kosten trägt der Beklagte.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie um Entgelt für August 2013.
Der Kläger, polnischer Staatsbürger mit Zweitwohnsitz im hiesigen Bezirk, ist mindestens seit dem 18. Dezember 2008 auf dem Betriebsgelände der LFW L. Fleisch- und Wurstspezialitäten GmbH & Co. KG (im Folgenden abgekürzt mit LFW bezeichnet) als Zerleger im Bereich der Fleischzerlegung tätig. Das Arbeitsverhältnis bestand anfangs zu einer LWL GmbH mit Sitz in A-Stadt, deren Geschäftsführerin Frau I. B. war. Die LWL GmbH hat für die LFW Teilleistungen im Produktionsprozess auf deren Betriebsgelände erbracht, insbesondere im Bereich der Fleischzerlegung und bei der Verpackung der von LFW hergestellten Produkte.
Der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der LWL GmbH lautet auszugsweise wie folgt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichte Kopie, hier Blatt 37 ff Bezug genommen).
"§ 5 Vergütung
Der/Die Arbeitnehmer(in) erhält einen Brutto-Stundenlohn in Höhe von 7,50 €. Der Arbeitnehmer erhält eine monatliche Anwesenheitsprämie in Höhe von 100,00 €.
Dem Arbeitnehmer werden die Kosten der doppelten Haushaltsführung bis zu einem Höchstbetrag von 400,00...