Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung. nichteheliche. Lebensgemeinschaft. Ortszuschlag

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ungleichbehandlung von verheirateten Angestellten und homosexuellen Angestellten, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben, ist gerechtfertigt, soweit es um die Zahlung des Ortszuschlages geht.

 

Normenkette

GG Art. 3; BAT § 29

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 10.11.1994; Aktenzeichen 5 Ca 2010/94)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 21.05.1999; Aktenzeichen 1 BvR 726/98)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 10.11.1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn – 5 Ca 2010/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit April 1984 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Auf dass Arbeitsverhältnis finden der BAT und die ihn ergänzenden Tarifverträge für den Bereich Bund/Länder in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger erhält neben der Grundvergütung einen Ortszuschlag der Stufe 1, zu der nach § 29 B Abs. 1 BAT die ledigen und geschiedenen Angestellten sowie Angestellte gehören, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt worden ist.

Der Kläger ist ledig und lebt in gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft mit dem Postzusteller Ernst M.. Am 20. August 1992 haben der Kläger und sein Lebenspartner bei dem Standesamt B. den Erlaß des Aufgebotes zum Zwecke der Eheschließung beantragt, der vom Standesamt B. abgelehnt wurde. Der daraufhin beim Amtsgericht Bonn eingereichte Antrag, den Standesbeamten zum Erlaß des Aufgebots anzuhalten, und die spätere Beschwerde beim Landgericht und Oberlandesgericht Köln blieben ohne Erfolg. Eine Verfassungsbeschwerde des Klägers betreffend den ablehnenden Bescheid des Standesamtes B. sowie die gerichtlichen Entscheidungen, die diesen Bescheid bestätigten, wurde mit Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Oktober 1993 – 1 BvR 641/93 – nicht zur Entscheidung angenommen.

Mit Schreiben vom 09.11.1993 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung des erhöhten Ortszuschlages der Stufe 2, den nach § 29 B Abs. 2 Nr. 1 BAT verheiratete Angestellte erhalten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 11.11.1993 ab.

Der Kläger hat behauptet, er und sein Lebenspartner hätten in den 19 Jahren ihres Zusammenlebens eine familiäre Existenz aufgebaut mit allen sittlichmoralischen Verpflichtungen, welche der Ehe als eine auf Dauer angelegten Gemeinschaft zugeschrieben würden. Die Bindung zu seinem Lebenspartner sei unverkennbar eine solche Gemeinschaft. Er praktiziere seit langem seinem Lebenspartner gegenüber alle Pflichten, welche sich aus dem Schutzgedanken des Art. 6 GG zu Ehe und Familie ergäben. Er hat sich in diesem Zusammenhang auf die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der EG (Drucksache 12/7969) berufen, wonach unter anderem auf die Beseitigung von Benachteiligungen im Arbeitsrecht und im öffentlichen Dienst hinzuwirken sei. Er hat weiter geltend gemacht, die Nichtgewährung des Ortszuschlages der Stufe 2 stelle eine gravierende Benachteiligung des Klägers dar, da der Ortszuschlag nicht den Ehemann von seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau entlasten, sondern die Mehrkosten für den eigenen Hausstand ausgleichen solle. Außerdem stelle es einen Verstoß gegen Art. 3 GG dar, daß die Gewährung des Ortszuschlages der Stufe 2 nur an verheiratete Arbeitnehmer vorgesehen sei.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Ortszuschlag nach Stufe 2, Tarifklasse II, gem. § 29 BAT zu zahlen;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger rückwirkend zum 1. Mai 1993 den Unterschiedsbetrag zwischen Stufe 1 und 2 von insgesamt 14 × 163,58 DM = 2.290,12 DM (gerechnet bis 30.06.1994) nebst 4 % Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Gleichstellung mit verheirateten Angestellten zu. Es sei ihr zudem in ihrer Eigenschaft als Zuwendungsempfängerin verwehrt, den Kläger mit verheirateten Angestellten gleichzustellen.

Das Arbeitsgericht Bonn hat die Klage mit Urteil vom 10.11.1994 abgewiesen. Es hat angenommen, § 29 B Abs. 2 BAT sei mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 GG, vereinbar. Der Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG gebiete nicht, Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vergütungsmäßig den verheirateten Angestellten gleichzustellen. Denn im Gegensatz zur Ehe könne die eheähnliche Lebensgemeinschaft ohne rechtlich geregeltes Verfahren jederzeit von dem Lebenspartner beendet werden.

Der Kläger, dem das arbeitsgerichtliche Urteil am 21.03.1995 zugestellt worden ist, hat am 21.04.1995 Berufung eingelegt, die er am 22.06.1995 begründet hat, nachdem die Frist zur Begründung der Berufung durch Beschluß vom 12.05.1995 bis zum 22.06.1995 verlängert worden ist.

Der Kläger hält im zweiten Rechtszug an seiner Auffassung fest, daß er einen Anspruch auf Ortszuschlag der Stufe 2 i...

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