Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinstellungsanspruch. Fortsetzungsanspruch. Betriebsübergang. Übergang von Nebenpflichten e contractu finito

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Wiedereinstellungsanspruch wird i. a. „Fortsetzungsanspruch” genannt, wenn er gegen einen Betriebserwerber (§ 613 a BGB) gerichtet wird.

2. Der Fortsetzungsanspruch existiert in zwei Formen: als nationaler kündigungsrechtlicher Anspruch aufgrund vertraglicher Treuepflichten nach § 242 BGB und als gemeinschaftsrechtlicher Anspruch aufgrund richtlinienkonformer Auslegung des § 613 a BGB.

3. Durch einen Betriebsübergang gehen Nebenpflichten des Veräußerers (z.B. Wiedereinstellungspflichten) aus einem im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bereits wirksam beendeten Arbeitsverhältnis (e contractu finito) nicht auf den Betriebserwerber über.

4. Die richtlinienkonforme Auslegung des § 613 a BGB führt nicht zu einem Fortsetzungs-/Wiedereinstellungsanspruch gegenüber dem Betriebserwerber nach einer Betriebsveräußerung im Insolvenzverfahren (wie BAG vom 10.12.1998 – 8 AZR 324/97 –).

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 S. 1, § 242; Richtlinie 98/50/EG vom 29.06.1998 Art. 4a I

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Urteil vom 14.02.2002; Aktenzeichen 1 Ca 2819/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.05.2004; Aktenzeichen 8 AZR 198/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.02.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg – 1 Ca 2819/00 – abgeändert:

Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch um einen Wiedereinstellungs- /Fortsetzungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2). Die frühere Arbeitgeberin des Klägers, die später insolvent gewordene Fa. D., fertigte Türen und Fenster für den Großhandel; außerdem fertigte sie auf Bestellung und baute die Fenster und Türen in die jeweiligen Bauvorhaben ein. Den am 11.10.1954 geborenen Kläger beschäftigte sie seit Mai 1979 als Produktionsarbeiter in der Sonderfertigung. Nachdem sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, plante sie einen Personalabbau zur Kosteneinsparung. Ihrem Betriebsrat übersandte sie unter dem 15.06.2000 eine Liste mit zu entlassenden und zu haltenden Mitarbeitern (Bl. 168 ff); der Kläger befand sich unter den letzteren. Zugleich interessierten sich die Mitarbeiter B. und S. für eine Übernahme des Betriebes und schlossen unter dem 19.06.2000 einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung der Beklagten zu 2), deren Gesellschafter und Geschäftsführer sie heute sind. Am 01.07.2000 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin (Fa. D.), die zu diesem Zeitpunkt 100 Arbeitnehmer beschäftigte, das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Insolvenz Verwalter bestellt. Am 06.09.2000 beschloß die Gläubigerversammlung die Stillegung des Betriebes. Daraufhin vereinbarte der beklagte Insolvenz Verwalter (Beklagter zu 1) mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich (Bl. 37 f.), der von einer Betriebsstillegung zum 31.12.2000 ausging und kündigte sämtlichen Arbeitnehmern – darunter dem Kläger unter dem 27.09.2000 zum 31.12.2000. Hiergegen erhob der Kläger unter dem 17.10.2000 Kündigungsschutzklage gegen den Insolvenzverwalter, die Ursprung des vorliegenden Verfahrens ist. Nach Klageerhebung meldeten sich die Mitarbeiter B. und S. beim Insolvenz Verwalter (Beklagter zu 1) und teilten mit, die zunächst gescheiterte Finanzierung für den Erwerb des Betriebes sei sichergestellt, worauf bereits beendete Kaufvertragsverhandlungen wieder aufgenommen wurden. Auf einer Weihnachtsfeier am 24.11.2000 teilte der Mitarbeiter B. der Belegschaft mit, die Firma der Arbeitgeberin werde übernommen und die Produktion über den 31.12.2000 hinaus fortgesetzt. Am 14.12.2000 schloß die von dem Mitarbeiter B. vertretene Beklagte zu 2) einen Unternehmenskaufvertrag mit dem Beklagten zu 1 (Insolvenzverwalter), der eine Betriebsübernahme zum 04.01.2001 vorsieht und unter Zf. 17, die Klausel enthält, daß der Insolvenzverwalter der Beklagten zu 2) zur Freistellung verpflichtet ist, falls gegen sie wider Erwarten berechtigte Wiedereinstellungsansprüche erhoben würden. Nach Angaben beider Beklagten wurde der Betrieb am 22.12.2000 endgültig geschlossen, während der Kläger darauf verweist, Angestellte hätten zur Aufrechterhaltung von Kundenkontakten weitergearbeitet und schon am 29.12.2000 hätten im Betrieb Anweisungen an die – mindestens 35 – Arbeitnehmer ausgehangen, die die Beklagte zu 2) zur Weiterarbeit ausgesucht habe. Nachdem der vom Kaufvertrag auf den 04.01.2001 datierte Betriebsübergang vollzogen war, berief sich der Kläger im vorliegenden Verfahren schriftsätzlich erstmals unter dem 17.04.2001 (Bl. 16 ff.) auf § 613a BGB und erhob gleichzeitig Klage auch gegen die Beklagte zu 2) (Bl. 61 ff.) mit dem Antrag auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis nunmehr mit dieser fortbestehe, verbunden mit einem Antrag auf Weiterbeschäftigung; die Anträge ergänzte er im Termin vom 27.09.2001 um den Hilfsantrag, die Beklagte zu 2) zum Abschluß eines Ar...

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