Entscheidungsstichwort (Thema)

private E-Mails. Computeranlage. Beleidigung. Auflösungsantrag

 

Leitsatz (amtlich)

Fehlt eine klare betriebliche Regelung über die private Nutzung der betrieblichen Computeranlage, so bedarf eine Kündigung regelmäßig der vorherigen Abmahnung, auch wenn innerhalb der Arbeitszeit in nicht unwesentlichem Umfang private E-Mails geschrieben werden.

Auch wenn diese E-Mails sich beleidigend über den unmittelbaren Vorgesetzten (Geschäftsführer) äußern, aber nicht für dessen Kenntnisnahme bestimmt waren, liegt hierin i. d. R. kein Kündigungsgrund, wenn das betriebliche und Arbeitsverhalten ansonsten nicht beanstandet werden. Die Kenntnisnahme von Äußerungen gegenüber Dritten, die den Arbeitgeber als unfähig und dumm kennzeichnen, kann den arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag rechtfertigen.

Die Vergabe von Passworten dient nicht der Einrichtung eines vor dem

Arbeitgeber geschützten Geheimbereichs, sondern dient in erster Linie der sicheren Zuordnung einzelner Vorgänge am Computer zum jeweiligen Urheber. Das Recht Zugriffsberechtigungen auf höherer Ebene festzulegen obliegt dem Arbeitgeber.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 9-10

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 22.05.2003; Aktenzeichen 3 Ca 4348/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 22.05.2003 – 3 Ca 4348/02 dahin abgeändert, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.08.2002 zum 30.09.2002 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.150,00 EUR aufgelöst wird.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung vom 27.08.2002 sowie um die Begründetheit eines durch die Arbeitgeberin gestellten Auflösungsantrags.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.07.2001 als Chefsekretärin zu einer Bruttovergütung von 2.300,81 EUR tätig.

In der Zeit vom 06.07.2002 bis zum 20.08.2002 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Während dieser Arbeitsunfähigkeit war es der Beklagten nicht möglich, betriebliche E-Mails und Computerfaxe, die an die Computeradresse der Klägerin im Betrieb gerichtet waren, zu lesen, da die Klägerin ihren Computerarbeitsplatz mit einem Passwort gesichert hatte, welches sie – selbst nach Aufforderung durch die Beklagte – nicht bereit war, bekanntzugeben. Die Beklagte ließ deshalb durch den externen Netzwerkadministrator das Passwort der Klägerin ändern, um Zugriff auf die Dateien der Klägerin nehmen zu können. Diese Änderung war erforderlich geworden, weil entgegen der bei Einrichtung des Computersystems festgelegten Nutzungsweise der Zugriff auf die Dateien der Klägerin für den Netzwerkadministrator eingeschränkt worden war.

Bei der Auswertung der Dateien stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin in den Monaten Juni und Juli 2002 während der Arbeitszeit über den Mailserver der Beklagten E-Mails mit privatem Inhalt an Dritte versandt hat und diese E-Mails auf dem Server der Beklagten gespeichert hat. Hinsichtlich der Anzahl, des Inhalts und der Länge der Schreiben wird auf die zur Akte gereichten E-Mailausdrucke Bezug genommen. Der Inhalt sowie die Tatsache, dass die Klägerin die Verfasserin der Texte ist, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Beklagte begründet die Kündigung damit, dass die Klägerin durch das private E-Mail-Schreiben mehrere Stunden Arbeitszeit vergeudet habe. Sie habe in dieser Zeit nach Außen das Bild einer arbeitenden Mitarbeiterin gemacht, während sie ihren privaten Interessen nachgegangen sei. Zudem sei der Inhalt der E-Mails beleidigend. Die Klägerin bringe zum Ausdruck, dass sie den Geschäftsführer der Beklagten für dumm und unfähig halte. Weiterhin ergebe sich, dass die Klägerin beabsichtige, zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln. Auch bestehe der Verdacht, dass die Klägerin eine CD, die sog. Z Workshop-CD kopiert habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, da die Beklagte nicht hinreichend klargestellt habe, dass das Computersystem nicht privat für E-Mails genutzt werden dürfe. In dieser Grauzone habe zumindest eine Abmahnung Aussicht auf Erfolg gehabt. Diese sei deshalb nicht entbehrlich gewesen. Soweit die E-Mails difamierende und ehrverletzende Äußerungen über den Geschäftsführer enthalten, habe die Klägerin die Kenntnisnahme durch die Beklagte nicht erwarten können und nicht beabsichtigt.

Hiergegen richtet sich die Beklagte mit der Berufung.

Sie begründet die Berufung damit, dass das Vertrauen in die Klägerin auf Grund der Inhalte der E-Mails seitens der Geschäftsführung nicht mehr gegeben sei, auch habe die Klägerin ohne Abmahnung wissen müssen, dass die Aufwendung von Arbeitszeit für nichtdienstliche Zwecke auch ohne Abmahnung unzulässig sei. Unter Berücksichtigung der Länge der E-Mails und der geistigen Bearbeitungszeit habe die Klägerin teilweise mehrere Stunden an Arbeitszeit der...

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