Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen der Ablehnung eines Begehrens auf Aufstockung der Arbeitszeit hinsichtlich der Informationspflicht gem. § 7 Abs. 2 TzBfG. Begriff des entsprechenden Arbeitsplatzes i.S. von §§ 9, 7 Abs. 2 TzBfG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anzeige eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin nach § 9 TzBfG, die Arbeitszeit aufstocken zu wollen, verliert nicht automatisch mit der ersten ablehnenden Antwort des Arbeitgebers ihre die Informationspflicht nach § 7 Abs.2 TzBfG auslösende Wirkung. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Anzeige und das begleitende Gesamtverhalten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin erkennen lassen, ob er/sie dauerhaft an einer Aufstockung interessiert ist, auch wenn diese erst zu einem späteren Zeitpunkt einsetzen könnte.

2. Ein "entsprechender Arbeitsplatz" im Sinne von §§ 9, 7 Abs.2 TzBfG liegt vor, wenn der Arbeitsplatz inhaltlich demjenigen entspricht oder vergleichbar ist, auf dem der/die aufstockungswillige Teilzeitbeschäftigte bisher beschäftigt ist.

3. Es kommt dabei nur auf die arbeitsplatzbezogene Vergleichbarkeit an. Liegt diese vor und handelt es sich nach den Planungen des Arbeitgebers um einen Dauerarbeitsplatz, kann der Arbeitgeber nicht mit Erfolg einwenden, dass er auf dem freien Arbeitsplatz eine sachgrundlos befristete Neueinstellung vornehmen will.

4. Zur Frage, inwieweit sich der Arbeitgeber unter dem Gesichtspunkt der Nachwuchsförderung oder der Herstellung einer ausgewogenen Altersstruktur auf dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 9 TzBfG berufen kann.

5. Der Arbeitgeber macht sich nach § 15 Abs.2 AGG entschädigungspflichtig, wenn das Lebensalter für die Nichtberücksichtigung des/der aufstockungswilligen Teilzeitbeschäftigten mitursächlich war, ohne dass eine Rechtfertigung im Sinne von § 10 AGG vorliegt.

 

Normenkette

TzBfG §§ 2, 7, 9, 14; BGB §§ 275-276, 278; AGG §§ 1, 7, 10, 15

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 11.01.2018; Aktenzeichen 1 Ca 2184/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.01.2021; Aktenzeichen 8 AZR 195/19)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 11.01.2018 in Sachen1 Ca 2184/16 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte aufgrund der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz verurteilt wird, an die Klägerin anstelle des in Ziffer 1 des arbeitsgerichtlichen Urteilstenors genannten Betrages 71.361,96 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.133,30 € seit dem 07.11.2016, aus 20.589,20 € seit dem 28.08.2017, aus 13.311,14 € seit dem 07.11.2017 und aus 19.328,32 € seit dem 20.06.2018.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen der unterbliebenen Verlängerung ihrer Arbeitszeit nach § 9 TzBfG und über einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung.

Die am 1954 geborene Klägerin ist Politikwissenschaftlerin und promovierte Slawistin. Zum 05.01.2007 begründete sie mit der Beklagten ein Arbeitsverhältnis als Sachbearbeiterin im Fachbereich Förderung der B f p B . Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst anwendbar. Die Klägerin wurde in Entgeltgruppe EG 10, Stufe 6 eingruppiert und erhält eine regelmäßige Zulage in Höhe der Differenz zur Entgeltgruppe EG 11, Stufe 6.

Die Klägerin wurde laut Arbeitsvertrag vom 05.10.2007 zunächst als Teilzeitbeschäftigte im Umfang von 50 % einer Vollzeitbeschäftigung (19,5 Wochenstunden) beschäftigt. Auf Wunsch der Klägerin erfolgte zunächst ab 01.03.2008 eine bis zum 31.10.2008 befristete Aufstockung ihres Arbeitsumfangs auf Vollzeitbeschäftigung (39 Wochenstunden). Die Aufstockung der Arbeitszeit wurde sodann bis zum 31.10.2009, anschließend bis zum 31.08.2010, danach bis zum 31.01.2011 und schließlich bis zum 30.06.2011 verlängert. Für die Zeit vom 10.07.2011 bis 13.09.2011 erfolgte eine Aufstockung der Arbeitszeit auf 34,5 Wochenstunden, welche auf erneuten Antrag der Klägerin, in welchem sie darauf hinwies, dass sie die Erhöhung der Wochenarbeitszeit wegen ihrer Unterhaltspflichten gegenüber ihrer Tochter benötige, nochmals bis zum 13.09.2012 verlängert wurde. Seit dem 14.09.2012 arbeitet die Klägerin wiederum in ihrem ursprünglichen arbeitsvertraglichen Umfang von 50 % als Teilzeitbeschäftigte.

Am 11.06.2013 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erhöhung ihrer Arbeitszeit auf Vollzeit, der von der Beklagten nach Angaben der Klägerin nicht beschieden wurde. Ein nachfolgender Antrag der Klägerin vom 14.11.2013 wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 26.11.2013 mit der Begründung zurückgewiesen, dass keine entsprechenden Stellen bzw. Stellenanteile zur Verfügung stünden. Mit Schreiben vom 30.07.2013 hatte die Klägerin eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen drei Kolleginnen des Fachbereichs Förderung eingereicht. Hierüber erhielt sie einen Bescheid vom 31.10.2013, auf dessen Inhalt Bezug geno...

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