Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmissbräuchlichkeit wiederholter Befristung der Arbeitsverträge eines Lehrers

 

Leitsatz (amtlich)

Rechtsmissbräuchliche Kettenbefristung eines Lehrers (11 Jahre bei 33 befristeten Verträgen (mit Unterbrechungen)).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zwar liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Jedoch dürfen die Gerichte sich bei der Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG nicht auf die isolierte Prüfung des geltend gemachten Sachgrundes der Vertretung beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, alle Umstände des Einzelfalls und dabei namentlich die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen, aufeinander folgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen.

2. Diese nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs vorzunehmende Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass die Kettenbefristung von Arbeitsverträgen eines Lehrers über 11 Jahre bei 33 befristeten Verträgen auch dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn immer wieder Unterbrechungen von mehreren Monaten eingetreten sind.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 20.03.2014; Aktenzeichen 6 Ca 7651/13)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.03.2014 - 6 Ca 7651/13 - abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund einer arbeitsrechtlichen Befristung zum 03.09.2013 beendet wurde, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 03.09.2014 hinaus fortbesteht.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 03.09.2013 geendet hat.

Der Kläger war seit dem 02.09.2002 als Lehrkraft im Schuldienst des beklagten Landes aufgrund von 33 befristeten Arbeitsverträgen bis zum 03.09.2013 in Teilzeit mit jeweils unterschiedlicher Stundenzahl beschäftigt. Dabei gab es zwischen den einzelnen befristeten Verträgen folgende Unterbrechungen: 18.07.2003 bis 24.11.2003, 07.07.2005 bis 12.09.2005, 05.04.20098 bis 11.08.2008 und 06.06.2009 bis 01.09.2009. Mit zuletzt abgeschlossenem Vertrag vom 19./20.12.12 vereinbarten die Parteien eine befristete Beschäftigung als Lehrkraft mit einer Unterrichtsverpflichtung von 10,00/25,50 Wochenstunden an der G -S -Schule in L wegen eines konkreten Vertretungsbedarfs hinsichtlich der Lehrerin T L im Umfang von10,00/25,50 Pflichtstunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift vorgelegten Verträge verwiesen.

Der Kläger hat einen Abschluss als "Bachelor of Sciences in Psychology & Special Sociology" aus den USA vom 24.05.1991, den die Beklagte anerkannt hat. Er verfügt daher über keine so genannte Lehramtsbefähigung. Er wurde als Vertretung für ausfallenden Unterricht in sechs verschiedenen Fächern (Englisch, Musik, Kunst, Sport, Gesellschaftslehre und Praktische Philosophie) eingesetzt, wobei er vor allem Englisch unterrichtete. Der Kläger war an 13 verschiedenen Schulen, darunter Hauptschulen, Realschulen, Gesamtschulen und Berufskollegs tätig.

Mit seiner am 24.09.2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung des zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrages zum 03.09.2013 geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil(Bl. 153 - 160 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, der weiter der Auffassung ist, die Befristungsabrede sei rechtsmissbräuchlich. Der Kläger beruft sich unter Bezugnahme auf seinen bisherigen Sachvortrag auf eine Beschäftigungsdauer seit 02.09.2002. Die vier Unterbrechungen, deren Dauer durch die darin liegenden Sommerferien relativiert würde, seien in der Gesamtschau insbesondere im Hinblick auf die Gesamtdauer der Beschäftigungszeit nicht geeignet das Kettenarbeitsverhältnis "zu zerreißen". Er sei wegen des ständig bestehenden Vertretungsbedarfs landesweit als "Springer" eingesetzt worden. Auf eine nicht vorhandene formale fachliche Qualifikation könne sich das beklagte Land nicht berufen, da seine Fähigkeiten, besonders als Native Speaker bei der Vermittlung von Englisch, während seiner langjährigen Beschäftigung gern in Anspruch genommen worden seien. Er habe sich durchgängig um eine Dauerbeschäftigung beworben, ihm seien aber immer nur befristete Arbeitsverträge angeboten worden. Zu keinem Zeitpunkt sei das beklagte Land in den vielen Jahren auf ihn zugegangen und habe ihm die Möglichkeit angeboten, eine Lehramtsbefähigung nachzuholen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund de...

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