Entscheidungsstichwort (Thema)

Sportfotograf als Arbeitnehmer. Unwirksame Kündigung eines Sportfotografen. Kein Verfall des Urlaubs bei fehlender Mitwirkung des Arbeitgebers. Keine Verjährung von Urlaubsansprüchen von 1991 bis 2018

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Tätigkeit des Sportfotografen ist von einem Arbeitsverhältnis auszugehen, wenn eine Weisungsgebundenheit und eine persönliche Abhängigkeit besteht. Der Urlaubsanspruch verfällt nicht, wenn der Arbeitgeber seiner entsprechenden Hinweispflicht nicht nachgekommen ist.

 

Normenkette

BGB § 611 a; BUrlG § 7; BGB § 194 Abs. 1, § 214; KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 15.11.2018; Aktenzeichen 10 Ca 4584/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.11.2021; Aktenzeichen 9 AZR 145/21)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.11.2018 - 10 Ca 4584/18 - teilweise abgeändert:

    1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 20.06.2018 beendet worden ist.
    2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus den Jahren 1991 bis 2018 einen Urlaubsanspruch von 290 Tagen zu gewähren.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  • III.

    Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten - soweit berufungsrelevant - über die Wirksamkeit der beklagtenseitigen ordentlichen Kündigung des Rechtsverhältnisses der Parteien und hierbei über den rechtlichen Status des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers zur Beklagten sowie um restliche Urlaubs- bzw. gegebenenfalls Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers.

Der 50-jährige Kläger ist seit dem 01.01.1990 für die Beklagte als Sportfotograf tätig.

Seit dem 01.01.1995 richtete sich die Beschäftigung des Klägers für die Beklagte nach deren Vereinbarung vom 01.02.1995. Gemäß Z. 1 der Vereinbarung erhielt der Kläger für seine Tätigkeit als freier Sportfotograf eine Pauschale, die zuletzt 2700,00 € nebst 189,00 € Mehrwertsteuer betrug.

Anfang des Jahres 2018 bot die Beklagte dem Kläger einen Vertrag für freie Mitarbeiter unter geänderten Vertragsbedingungen an. Auf das Vertragsangebot der Beklagten im Einzelnen wird auf Bl. 13 ff. der Akte verwiesen.

Der Kläger lehnte diese Vertragsänderungen gemäß dem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 06. und 16.02.2018 ab.

Mit Schreiben vom 20.06.2018 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Vertragsverhältnis vom 01.02.1995 fristgerecht zum 30.09.2018.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage vom 06.07.2018, mit der er zugleich erstinstanzlich geltend gemacht hat, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten vertraglichen Bedingungen als Sportfotograf zu beschäftigen und hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag, festzustellen, dass ihm ein Resturlaub von 290 Tagen aus dem Zeitraum seit 1991 zustehe.

Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht, die ordentliche Kündigung vom 20.06.2018 sei unwirksam, weil sie sozial ungerechtfertigt im Sinne des§ 1 Abs. 2 KSchG sei. Die Kündigung sei ohne die für die soziale Rechtfertigung notwendigen Kündigungsgründe im Sinne des § 1 KSchG erfolgt. Der Kläger könne sich auf allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz im Rechtsverhältnis zur Beklagten berufen, da tatsächlich ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gegeben sei. Auszugehen sei davon, dass der Kläger als Sportfotograf der Beklagten nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern zähle. Der Kläger, der die Bilder für die Sportredaktion der Beklagten erstelle, sei aufgrund der unkonkreten Leistungsvereinbarung in dem Vertrag vom 01.02.1995 auf den Erhalt von Einzelweisungen zur Durchführung seiner Arbeiten angewiesen gewesen. Die Aufgaben des Klägers seien vertraglich nicht näher definiert worden und bedürften der Konkretisierung durch einzelne Anweisungen, die regelmäßig im Rahmen von Einzelweisungen aus der Redaktion - z.B. hinsichtlich der Fotoarbeiten von Pressekonferenzen oder etwa bei Interviews - erfolgt seien. Die Beschäftigung sei nahezu ausschließlich für die Beklagte - regelmäßig an 28 Tagen pro Monat - erfolgt. Der Kläger sei auch bei der Durchführung seiner Fotoarbeiten auf die technische Infrastruktur der Beklagten angewiesen gewesen, was die Entwicklung der Bilder, das Scannen und das Einlesen der von ihm gefertigten Fotodateien angehe. Zudem habe er bei Arbeitsunfähigkeit anderer Mitarbeiter diese vertreten müssen, was auch wechselseitig gegolten habe. Die Kläger habe sich täglich in der Redaktion der Beklagten einfinden müssen. Er habe über eine eigene E-Mailadresse bei der Beklagten verfügt. In den ersten zehn Jahren seiner Tätigkeit sei er wegen der notwendigen Filmentwicklung etwa 2-5 Stunden täglich im Büro im Betrieb der Beklagten anwesend gewesen. Der Kläger habe die Pflicht gehabt, seinen Urlaub mit der Beklagten abzustimmen. Der Umstand, dass er seinen Urlaub in spi...

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