Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungskündigung zur Gehaltssenkung, ausgesprochen von der griechischen Republik gegenüber angestellten Lehrern an einer nach nordrhein-westälischem Schulrecht anerkannten griechischen Ergänzungsschule. Abweisung der Kündigungsschutzklage als unzulässig wegen Verneinung der deutschen Gerichtsbarkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich nach § 20 Abs. 2 GVG nicht auf Personen, die gemäß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht, bei dem es sich nach Arti. 25 GG um bindendes Bundesrecht handelt, sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit (acta iure imperii) von einem Rechtsstreit betroffen ist (par in parem nun habet imperium).

2. Mangels einschlägiger völkerrechtlicher Regelungen ist die Einordnung der Tätigkeit als hoheitlich oder nicht hoheitlich nach deutschem Recht zu beurteilen.

3. Ein Lehrer an einer vom griechischen Staat errichteten anerkannten Ergänzungsschule nimmt hoheitliche Aufgaben wahr.

 

Normenkette

GVG § 20 Abs. 2; GG Art. 25

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 04.05.2011; Aktenzeichen 6 Ca 2937/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.04.2013; Aktenzeichen 2 AZR 77/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der beklagten Republik wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 04.05.2011 – 6 Ca 2937/10 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Änderungskündigung.

Der am 02.08.1959 geborene Kläger ist seit dem 17.01.1994 an der griechischen Grundschule der Beklagten in B1 als Studienrat mit einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 4.164,00 EUR tätig. Er unterrichtet das Fach Deutsch. Er war bei Einstellung griechischer Staatsbürger und verfügt nunmehr auch über die deutsche Staatsbürgerschaft.

Dem Arbeitsverhältnis liegen Arbeitsverträge vom 20.09.1994 (Bl. 5 bis 6 d.A.) und vom 02.01.2008 (Bl. 10 d.A.) zugrunde. Nach Nr. 2 des Änderungsvertrags vom 02.01.2008 erfolgt die Regelung des Arbeitsverhältnisses nach dem deutschen Bundestarifvertrag der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte und des deutschen öffentlichen Dienstes vom 07.05.1992 mit rückwirkender Gültigkeit zum 01.01.1992. Das Gehalt gestaltet sich unter Anpassung des BAT an den TV-L.

Die Beklagte betreibt in B1 neben der Grundschule noch ein Lyzeum. Insgesamt beschäftigt sie an diesem Standort drei Lehrer und Lehrerinnen im Angestelltenverhältnis und mehr als zwölf Beamte.

In Deutschland bestehen weitere griechische Schulen.

In Griechenland existiert nach der griechischen Verfassung ein öffentliches Schulwesen, das neun Pflichtschuljahre umfasst. Die ersten sechs Pflichtschuljahre werden in einer Primarschule, die weiteren drei Pflichtjahre an einem Gymnasium abgeleistet. Danach besteht aufbauend die Möglichkeit, ein Lyzeum zu besuchen, dessen Abschluss nach griechischem Schulrecht dazu berechtigt, an einem Hochschulzugangsverfahren teilzunehmen.

Griechische Schüler haben am Lyzeum drei Fremdsprachen zu wählen. Als eine Fremdsprache wird auch Deutsch unterrichtet.

Beide griechischen Schulen in B1 sind staatlich anerkannte Ergänzungsschulen. Mit ihrem Besuch erfüllen die Schüler ihre nach deutschem Recht bestehende Schulpflicht. Der Schulbesuch ist unentgeltlich.

Mit Schreiben vom 21.10.2010 (Bl. 11 d.A.), dem Kläger am 12.11.2010 zugegangen, kündigte die Beklagte, vertreten durch den griechischen Generalkonsul in H2, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund ohne Wahrung der Kündigungsfrist und bot dem Kläger den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit folgenden Bedingungen an:

  1. Kürzung der monatlichen Bruttobezüge um 310,63 EUR monatlich.
  2. Einstellung der Jahressonderzahlung.

Weiter teilte sie dem Kläger ergänzend mit, dass zukünftig die Gehaltserhöhungen nicht automatisch gemäß dem deutschen Tarifvertrag (TV-L) geleistet würden, sondern nach Beschluss seines Arbeitgebers, d.h. gemäß der Einkommenspolitik des griechischen Staates.

Mit Schreiben vom 16.11.2010 (Bl. 12 d.A.) nahm der Kläger die Kündigung unter dem Vorbehalt an, dass die ihm zugemutete Änderung der Arbeitsplatzbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist.

Mit seiner am 29.11.2010 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage wendet er gegen die Wirksamkeit der Änderungskündigung.

Er hat ausgeführt:

Auf das Arbeitsverhältnis finde deutsches Arbeitsrecht Anwendung.

Er bestreite, dass allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Beklagten das Gehalt gekürzt worden sei. Ihm seien Arbeitskollegen und -kolleginnen in anderen Städten bekannt, die noch keine Änderungskündigung erhalten hätten.

Die Kündigung sei inhaltlich unklar, unschlüssig und nicht bestimmt genug. Der angegeb...

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