Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeugnisanspruch und Verfallfrist - Bewertung von Führung und Leistung - Angabe des Beendigungsgrundes - Zeugnisdatum bei Berichtigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Enthält das Zeugnis Unrichtigkeiten oder nimmt es zwar zu allen Punkten Stellung, ist aber in Teilen nicht so umfassend, wie es § 73 HGB vorsieht, oder verstößt es gegen andere Grundsätze der Zeugniserteilung, kann nicht mehr von fehlender Erfüllung, sondern nur von Schlechterfüllung gesprochen werden. Zur Beseitigung von Mängeln des Zeugnisses steht der Erfüllungsanspruch nicht (mehr) zur Verfügung. Anspruchsgrundlage für die Zeugnisberichtigung ist nicht § 73 HGB, sondern die allgemeine Fürsorgepflicht.

2. Der Zeugnisberichtigungsanspruch unterliegt nicht den tariflichen Verfallfristen des § 15 Nr. 2 MTV-Groß- und Außenhandel, denn diese bezwecken nur die kurzfristige Abwicklung des Arbeitsverhältnisses, lassen also höchstpersönliche Ansprüche völlig unberührt. Mit § 15 Nr. 5 MTV-Groß- und Außenhandel haben die Tarifvertragsparteien nur geldwerte Ansprüche ins Auge gefaßt und aus dem Kreis der unter § 15 Nr. 2 MTV-Groß- und Außenhandel fallenden "sonstigen (Schadenersatz-)Ansprüche" - etwa wegen Schlechtleistung - ausgenommen. Nachvertragliche Ansprüche sollen dadurch nicht beschnitten werden.

3. Der Arbeitgeber ist bei der Ausstellung des Zeugnisses grundsätzlich in seiner Ausdrucksweise frei, muß sich aber der in der Praxis allgemein angewandten Zeugnissprache bedienen und bei der Beurteilung des Arbeitnehmers den nach der Verkehrssitte üblichen Maßstab anlegen. Verwirft der Arbeitnehmer das erteilte Zeugnis, ist er also mit ihm überhaupt nicht oder überwiegend einverstanden, so ist alsdann der Streit der Parteien im Rahmen des Klageantrags über die gesamte Inhaltsfrage des Zeugnisses zu klären und festzulegen, welches Zeugnis mit welchem Wortlaut vom Arbeitgeber zu erteilen ist.

4. Die Beschreibung der hierarchische Position und der Aufgaben sowie ggf. der Kompetenzen und der Verantwortung des Arbeitnehmers ergeben zusammen mit der Größe des Unternehmens und seiner Stellung im Markt eine wichtige Zeugniskomponente, denn sie informieren künftige Arbeitgeber über die Bedeutung der inne gehabt Position und die Berufserfahrung des Arbeitnehmers. Die Art der Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses ausgeübt hat, sind möglichst genau und in branchenüblicher Weise zu bezeichnen, daß der künftige Arbeitgeber sich ein klares Bild über den Bewerber machen und ersehen kann, mit welchen Arbeiten der Bewerber beschäftigt wurde. Nach pflichtgemäßem Ermessen muß der Arbeitgeber gerade darauf im Zeugnis zu sprechen kommen, worauf es für die Zukunft des Arbeitnehmers ankommt. Bei einer Tätigkeit an verschiedenen Arbeitsplätzen oder in unterschiedlichen Funktionen ist die chronologische Schau vollständig sichtbar zu machen. Hieraus läßt sich die innerbetriebliche, fachliche Entwicklung (Auf- oder Abstieg) im Rahmen der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses ablesen.

5. Unter Leistung ist die berufliche Verwendbarkeit des Arbeitnehmers zu verstehen. Sie umfaßt fünf Hauptmerkmale: Arbeitsbereitschaft, -befähigung, -weise, -vermögen, -ergebnis, bei Vorgesetzten auch die sog. Führungsleistung. Die Einzelheiten müssen stets berufsbezogen sein. Bei einem Außendienstmitarbeiter ist anzugeben, ob er erfolgreich war.

6. Ein qualifiziertes Zeugnis darf sich nicht auf die Leistungsbewertung beschränken, es muß vielmehr auch eine Bewertung der vom Arbeitnehmer gezeigten Führung erfolgen. Es reicht nicht aus, daß sich aus der positiven Leistungsbeurteilung gewisse positive Rückschlüsse auf die Führung des Arbeitnehmers schließen lassen. Mit "Führung" wird dabei das allgemeine Verhalten, die Fähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten, die Vertrauenswürdigkeit, Verantwortungsbereitschaft und die Beachtung betrieblicher Ordnung angesprochen. Unter die Führung fällt das dienstliche Verhalten, außerdienstliches nur, soweit es das erstere beeinflußt (z.B. bei einem Kassierer seine Verschwendungssucht). Von gewissen Arbeitnehmern (z.B. bei Außendienstmitarbeitern wegen Spesenabrechnungen) kann regelmäßig die besondere Erwähnung der Ehrlichkeit gefordert werden, und zwar dann, wenn branchenüblich davon ausgegangen wird, daß beim Fehlen des Wortes Zweifel an der Ehrlichkeit des Arbeitnehmers bestehen.

7. Unter Beendigungsgrund ist die Tatsache zu verstehen, aufgrund derer ein Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde; er gibt Antwort auf die Frage, "warum" eine Partei gekündigt hat. Umstände, "wie" das Arbeitsverhältnis gelöst wird (also ob mit oder ohne Einhaltung der Kündigungsfrist), ist kein Beendigungsgrund in diesem Sinne, sondern stellt die Beendigungsmodalität dar. Verdacht der fristlosen Entlassung erweckt wird. Der Grund, der zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, ist regelmäßig auf Verlangen des Arbeitnehmers in ein Zeugnis aufzunehmen. Haben die Parteien einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach das Arbeit...

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