Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit von Abmahnungen. Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds. Einhaltung einer Kernarbeitszeit bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern. Verstoß gegen ein tarifliches Maßregelungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Freigestellte Betriebsratsmitglieder unterliegen hinsichtlich der Lage ihrer Arbeitszeit nicht mehr dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Sie haben sich aber während der betriebsüblichen Arbeitszeit für anfallende Betriebsratstätigkeiten bereitzuhalten.

2. Zur Auslegung eines tariflichen Maßregelungsverbots.

 

Normenkette

BGB § 242; BGB 611; BGB § 1004; BetrVG §§ 23, 38; GG Art. 9

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Urteil vom 06.08.2008; Aktenzeichen 5 Ca 1040/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 06.08.2008 – 5 Ca 1040/08 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfernung von vier Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers sowie um die Zahlung restlicher Vergütung.

Der am 25.09.1960 geborene Kläger ist seit dem 01.03.1995 bei der Beklagten zuletzt als Energieanlagenelektroniker auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 01.03.1995 (Bl. 11 ff d.A.) mit einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.900,00 EUR beschäftigt. Die Beklagte ist ein Betrieb der Textilindustrie, die mit ca. 620 Mitarbeitern Sitzgruppen für die Automobilhersteller Opel und Ford produziert.

Die Mitarbeiter in der Produktion werden bei der Beklagten in einem 2-Schicht-Rhythmus in Früh- und Spätschicht eingesetzt. Der Kläger war als Energieanlagenelektroniker dem Bereich Technik zugeordnet, in dem in drei Schichten gearbeitet wurde. Zwei Mitarbeiter arbeiten regelmäßig in der Nachtschicht. Auf die einzelnen Schichtzeiten, die die Beklagte im Schriftsatz vom 27.06.2008 (Bl. 56 ff d.A.) im Einzelnen aufgeführt hat, wird Bezug genommen.

Für die bei der Beklagten beschäftigten Angestellten gilt betriebsüblich eine Gleitzeit mit einer täglichen Mindestarbeitszeit von zwei Stunden.

Im Betrieb der Beklagten ist ein elfköpfiger Betriebsrat gebildet. Der Kläger ist seit 1997 Mitglied dieses Betriebsrats. In der seit 2006 laufenden Amtsperiode wurde das Betriebsratsmitglied K2 erstmals zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Der Kläger wurde zum stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Seit dieser Amtsperiode sind der Betriebsratsvorsitzende und der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, der Kläger, freigestellt.

Mit Schreiben vom 10.05.2006 (Bl. 87 d.A.) teilten der Betriebsratsvorsitzende sowie der Kläger der Geschäftsleitung der Beklagten folgendes mit:

„Betreff: Arbeitszeiten BR-Büro

Wir schlagen für die freigestellten Betriebsräte folgende Kernarbeitszeiten, zuzüglich eventueller Pausen vor.

Früh: 07.00-15.00

Spät: 11.00-19.00”

Ob und in welcher Weise die Beklagte auf dieses Schreiben reagiert hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Seit seiner Freistellung wurden die An- und Abwesenheitszeiten des Klägers durch das im Betrieb der Beklagten eingeführte elektronische Zeiterfassungssystem erfasst. Auf die für den Kläger geführten Arbeitszeitnachweise für die Zeit von April 2006 bis Mai 2008 (Bl. 162 bis 211 d.A.), die monatlich mit einem Gleitzeitsaldo endeten, wird Bezug genommen.

Seit seiner Freistellung hatte der Kläger mehrfach im Monat Minusstunden aufzuweisen, die er durch Plusstunden anschließend wieder ausglich (vgl. Aufstellung Bl. 214 d.A.). Ferner wird Bezug genommen auf die Zeiten des An- und Ausstempelns des Klägers seit Mai 2006 (Bl. 212, 213 d.A.).

Anfang des Jahres 2008 kam es zu einer Tarifauseinandersetzung im Bereich der Textilindustrie. Von dieser Tarifauseinandersetzung war auch der Betrieb der Beklagten betroffen. Die Friedenspflicht lief am 29.02.2008 ab. Im Betrieb der Arbeitgeberin kam es am 06.03.2008 zu Warnstreiks.

Bereits am 12.02.2008 hielt sich der Kläger, der insgesamt 3,6 Stunden bei der Beklagten im Betrieb anwesend war, in F2 im Rahmen von Tarifverhandlungen in der Gewerkschaftszentrale der IG Metall auf. Dazu meldete er sich vorher schriftlich bei der Beklagten ab und stempelte für die Zeit seiner Abwesenheit aus (Bl. 28, 168 d.A.).

Am 15.02.2008 stempelte der Kläger einmal für 47 Minuten und ein weiteres Mal für 31 Minuten aus (Bl. 28, 168 d.A.). In dieser Zeit verteilte er Flugblätter der IG Metall, auf deren Inhalt (Bl. 97 d.A.) Bezug genommen wird.

Am 05.03.2008 verteilte der Kläger wiederum ein Flugblatt der IG Metall, bevor er in der Zeit von 14.15 Uhr bis 15.30 Uhr an einer außerordentlichen Betriebsratssitzung teilnahm. In diesem Flugblatt wurde u.a. zum Warnstreik aufgerufen.

Am 10.03.2008 nahm der Kläger erneut an einer Sitzung der IG Metall in G3 teil und stempelte sich dazu in der elektronischen Zeiterfassung um 14.19 Uhr aus (Bl. 166 d.A.) nachdem er sich zuvor der Geschäftsleitung abgemeldet hatte.

Die Tarifverhandlungen in der Textilindustrie führten am 11.03.2008 zu einem Verhandlungsergebnis (Bl. 23 ff d.A.). Unter I...

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