Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung. Rechtsfolgen der Kündigung. Feststellungsinteresse des Betriebsrates
Leitsatz (amtlich)
1. Der Betriebsrat kann die Rechtsfolgen einer Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung auch dann durch eine Feststellungsklage gerichtlich klären lassen, wenn die Kündigung der Betriebsvereinbarung zum Gegenstand eines mit dem Arbeitgeber vereinbarten Interessenausgleichs gemacht worden ist (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 17.08.1999 – AP Nr. 79 zu § 77 BeWG 1972).
2. Auch verfallbare Anwartschaften, die nur zum Teil erdient sind, sind durch die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit geschützt. In sie kann nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes eingegriffen werden, weil die notwendige Betriebszugehörigkeit auch erreicht werden kann, wenn die Versorgungszusage aufgrund einer Kündigung der Betriebsvereinbarung nicht mehr besteht.
Normenkette
BetrVG § 77; BetrAVG §§ 1-2; ZPO § 256
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Beschluss vom 23.01.2001; Aktenzeichen 5 BV 70/00) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrates sowie die Anschlussbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 23.01.2001 – 5 BV 70/00 – werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die rechtlichen Auswirkungen einer Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung.
Die Antragsgegnerin unterhält einen Betrieb der Metallindustrie, hervorgegangen aus einer Fusion der Firmen D1. Werke GmbH und K3. A1. AG; sie gehört zum D1. A1. Konzern. Im Jahre 1997 beschäftigte der Arbeitgeber ca. 1300 bis 1400 Mitarbeiter, derzeit sind es noch ca. 765 Mitarbeiter.
Der aus 15 Personen bestehende Betriebsrat, der Antragsteller, ist für den Betrieb des Arbeitgebers und für die D1. F3. GmbH gebildet.
Am 20.12.1990 schlössen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung über eine Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung (Bl. 7 ff. d.A.). In § 4 dieser Betriebsvereinbarung ist vorgesehen:
„§ 4 Höhe der Renten
Die monatliche Betriebsrente beträgt:
Nach Ablauf der Wartezeit von 10 anrechnungsfähigen Dienstjahren (§ 5) |
monatlich DM 49,– |
und steigt mit jedem weiteren anrechnungsfähigen Dienstjahr um |
monatlich DM 4,90 |
bis höchstens |
monatlich DM 245,–” |
Auf die weiteren Bestimmungen der Betriebsvereinbarung vom 20.12.1990 wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 11.04.1997 (Bl. 6 d.A.) kündigte der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung unter Einhaltung der vereinbarten Frist zum 31.10.1997 unter Bezugnahme auf den bereits „besprochenen Zwang zur Senkung des Breakevenpoints und den damit einhergehenden Maßnahmen zur Einsparung von Personalkosten.” Auf den weiteren Inhalt des Kündigungsschreibens vom 11.04.1997 (Bl. 6 d.A.) wird Bezug genommen. Eine neue Betriebsvereinbarung über die Altersversorgung wurde zwischen den Beteiligten nicht mehr abgeschlossen.
Die Kündigung der Ruhegeldordnung war Teil eines vom Arbeitgeber im Jahr 1997 beschlossenen Programms „Standortsicherung B3.”, mit dem der Arbeitgeber unter anderem das Ziel der Reduzierung der Personalkosten um ca. 7 Mio. DM beabsichtigte.
Zu diesem Programm gehörten der Abbau von Überstunden mit dem damit einhergehenden Abbau von tarifvertraglichen Überstundenzuschlägen. Die Gleitzeitvereinbarung wurde so modifiziert, dass mehr Zeitguthaben angesammelt und diese zum Teil gekappt wurden. Freiwillige übertarifliche Zulagen für Mitarbeiter wurden gestrichen. In Einzelbereichen wurde eine zu hohe tarifliche Eingruppierung korrigiert. Betriebsvereinbarungen über freiwillige soziale Leistungen wurden neu gestaltet; so wurden die vom Arbeitgeber finanzierten Rentnertreffen abgeschafft, Zuschüsse zu einer Sterbekasse gestrichen, freiwillig gewährter Sonderurlaub für die Jubilare abgeschafft und weitere Maßnahmen ergriffen. Ferner wurde ein absoluter Einstellungsstopp verhängt; Arbeitsverhältnisse mit knapp 40 Mitarbeiter wurden beendet; Verträge mit Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen wurden nicht verlängert.
Teil dieses Standortsicherungskonzeptes war unter anderem auch die Anpassung der Ruhegeldordnung (Einfrieren), mit dem ein Einsparungsvolumen von 0,5 Mio. DM erreicht werden sollte.
Nachdem das Standortsicherungskonzept auf Antrag des Betriebsrates auf Kosten des Arbeitgebers durch eine gewerkschaftsnahe Beratungsgesellschaft gutachterlich überprüft worden war (Gutachten der ISA CONSULT vom 25.07.1997 – Bl. 151 f. d.A.), schlossen die Beteiligten am 31.07.1997 einen Interessenausgleich und Sozialplan ab. Unter Ziffer 3. des Interessenausgleichs vom 31.07.1997 (Bl. 199 ff.) wurde unter anderem vereinbart:
Die Kostensenkungseinzelmaßnahmen, die im Rahmen einer Analyse der Beratungsgesellschaft ISA CONSULT am 08.07.1997 grundsätzlich bestätigt wurden, werden wie folgt vereinbart:
„…
6. Ruhegeldordnung
– Einfrieren der Ruhegeldordnu...