Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Widerspruch. Verwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Schließt ein Arbeitnehmer mit dem Betriebserwerber nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung eine Abwicklungsvereinbarung, kann darin ein Umstandsmoment gesehen werden, das in Zusammenspiel mit dem Zeitmoment zur Verwirkung des Widerspruchsrechts führen kann.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 21.05.2007; Aktenzeichen 1 Ca 330/07 lev)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.02.2011; Aktenzeichen 8 AZR 469/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 21.05.2007 – 1 Ca 330/07 lev – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.

Mit seiner am 07.11.2005 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt der Kläger in der Hauptsache die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Frühruhestandsvertragsverhältnis besteht und macht sich daraus ergebende Zahlungsansprüche geltend. Hilfsweise begehrt er die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Anstellungsverhältnis besteht und macht ebenfalls die sich daraus ergebenden Zahlungsansprüche geltend.

Der am 25.05.1950 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 01.04.1968 bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von zuletzt 4.939,89 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge der chemischen Industrie Anwendung.

Der Kläger war nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien dem selbständigen Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) zugeordnet, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.

Unter dem Datum vom 23.09.2004 erstellte die Beklagte für den Kläger eine Frühruhestandsberechnung (Bl. 410 der Akte).

Da die Beklagte beabsichtigte, den Geschäftsbereich Consumer Imaging auf die B. Photo GmbH als Erwerberin zu übertragen, fanden für die von diesem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. Photo GmbH, F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.

Ausweislich eines Protokolls der Sitzung zwischen der Geschäftsleitung der Beklagten und deren Betriebsrat zur Besprechung der Sozialauswahl vom 20.10.2004 (Bl. 411 – 414 der Akte) war der Kläger unter Ziffer 3.2 mit dem Vermerk „FRS” aufgeführt.

Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine im Wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.

Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch der Kläger über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI informiert. Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß § 613 a BGB und Wiedergabe des Textes von § 613 a Abs. 5 und 6 BGB teilt die Beklagte mit, es werde hiermit „noch einmal” schriftlich die vorgesehene und mit dem Verhandlungsgremium des Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte abgestimmte Information gegeben, auch wenn er

– der Kläger – „aus der bisherigen Kommunikation bereits über die Einzelheiten informiert” sei.

Unter Ziffer 4. dieses Schreibens hat die Beklagte den geplanten Personalabbau dargelegt und unter anderem ausgeführt:

„Die Unternehmensleitung hat daher dem Wirtschaftsausschuss eine „CIPP2”-Planung vorgestellt, die einen weiteren Personalabbau beinhaltet. Mit Nachdruck hat sie darauf hingewiesen, dass dieser vollkommen unabhängig davon ist, dass CI zum geplanten Datum des Übergangs am 1. November 2004 zur eigenständigen Firma B. Photo GmbH werden wird. Denn diese Maßnahmen müssten ohne den Übergang auch von B.-H. AG durchgeführt werden.”

Unter Z...

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