Entscheidungsstichwort (Thema)

„Praktikum” als Arbeitsverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auslegung eines „Orchesterpraktikums” als Arbeitsverhältnis

2. Anforderungen an den Nachweis i.S.d. Ausschlussfristenregelung des § 20 Abs. 5 TVK

 

Normenkette

Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) § 20

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 10.04.2001; Aktenzeichen 6 Ca 181/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.03.2003; Aktenzeichen 6 AZR 564/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 10.04.2001 – 6 Ca 181/01 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zur Hauptsache zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass die Tätigkeiten der Klägerin beim Staatstheater K. vom 28.01. bis 30.06.1997 und vom 28.08. bis 31.12.1997 im Arbeitsverhältnis der Parteien zur Dienstzeit der Klägerin im Sinne des § 20 Abs. 1 TVK gehören.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Einordnung von Vortätigkeiten als Dienstzeiten im Sinne des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern (TVK).

Vom 28.01. bis zum 30.06.1997 sowie vom 28.08. bis zum 31.12.1997 war die Klägerin im Staatstheater K. als „Orchesterpraktikantin” tätig. Auf den Inhalt der zugrunde liegenden Vereinbarungen vom 30.01.1997 sowie vom 16.07.1997 (Bl. 4–7 d. A.) wird ausdrücklich Bezug genommen. Mit Schreiben aus März 1999 bescheinigte der Generalmusikdirektor des Staatstheaters K. der Klägerin, in den genannten Zeiten als Aushilfe in der Kontrabassgruppe des Orchesters beschäftigt gewesen zu sein. Auf den Inhalt der Bescheinigung im Übrigen wird verwiesen (Bl. 8 d. A.). Nach den für die Klägerin geführten Orchesterdienststatistiken (Bl. 9 f. d. A.) leistete sie in K. 5,9 Dienste im wöchentlichen Schnitt.

Mit Schreiben vom 05.01.2000 teilte die Beklagte der Klägerin, die ihr Musikstudium noch nicht abgeschlossen hat, die Bereitschaft mit, sie ab dem 10.02.2000 als Orchestermusikerin zu beschäftigen. In dem Schreiben heißt es unter anderem:

Zur Festsetzung der Dienstzeit nach § 20 (TVK) und der Jubiläumsdienstzeit nach § 31 (TVK) benötige ich Unterlagen über anrechnungsfähige Vordienstzeiten innerhalb von drei Monaten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses. Zeiten für, die der Nachweis nicht fristgerecht erbracht wird, können nicht berücksichtigt werden.

In der Folgezeit kam es zu einem entsprechenden Vertragsschluss. Nach dem Arbeitsvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis der TVK Anwendung. Im Hinblick auf den zitierten Passus im Schreiben vom 05.01.2000 überreichte die Klägerin der Beklagten die erwähnten Praktikantenverträge über die Tätigkeit in K. Die Bescheinigung des Generalmusikdirektors des Staatstheaters K. von März 1999 lag der Beklagten bereits vor. Die Beklagte lehnt es ab, die Tätigkeit der Klägerin im Staatstheater K. bei der Dienstzeitenberechnung nach dem TVK zu berücksichtigen.

Die Klägerin hat behauptet, während ihrer Tätigkeit in K. in keiner Weise ausgebildet worden zu sein. Sie habe normalen Orchesterdienst geleistet. Am Staatstheater K. habe es insgesamt fünf Kontrabassplanstellen gegeben. Eine dieser Planstellen sei im Jahr 1997 unbesetzt gewesen. Sie sei in den Vereinbarungen nur deshalb als Orchesterpraktikantin bezeichnet worden, um die Planstelle formal unbesetzt bleiben zu lassen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Dienstzeiten der Klägerin bei dem Staatstheater K. vom 28.01.1997 bis 30.06.1997 und vom 28.08.1997 bis 31.12.1997 gemäß § 20 TVK anzurechnen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Tätigkeit der Klägerin in K. habe es sich um eine Praktikantentätigkeit gehandelt. Diese stelle keine Dienstzeit im Sinne des TVK dar. Im Übrigen könne eine Anrechnung bereits deshalb nicht erfolgen, weil die Klägerin die Frist des § 20 Abs. 5 TVK nicht eingehalten habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat angenommen, die Klägerin habe in K. Dienste im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht. Die Auslegung der zugrunde liegenden Vereinbarungen ergebe, dass es sich entgegen der Bezeichnung nicht um ein Praktikum im Rechtssinne gehandelt habe. Die Beklagte habe nichts dazu vorgetragen, dass während der Zeit der Tätigkeit der Klägerin im Orchester des Staatstheaters K. der Ausbildungszweck tatsächlich beherrschend im Vordergrund gestanden habe. Die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfrist des § 20 Abs. 5 TVK verstoße gegen Treu und Glauben.

Gegen das ihr am 14.05.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 11.06.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am 04.07.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Beklagte verweist auf den in den Vereinbarungen mit dem Land H.-Staatstheater K. – genannten Zweck der Beschäftigung, die Klägerin über den theoretischen Rahmen des Studiums hinaus mit den praktischen Gegebenheiten und E...

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