Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegungsgrundsätze bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ergänzende Vertragsauslegung bei lückenhaften Tarifverträgen infolge fehlender Tariffortschreibung bei Tarifsukzession

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel bei textlicher Verknüpfung von festem Entgeltbetrag und einer Nennung einer tarifvertraglichen Vergütungsgruppe.

2. Zur Schließung einer arbeitsvertraglichen Lücke aufgrund der Nichtfortschreibung des BAT durch ergänzende Vertragsauslegung.

 

Normenkette

BAT; TVöD-VKA; TV-L; BGB § 305 Abs. 1 S. 1, § 307 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Aktenzeichen 6 Ca 1919/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.04.2018; Aktenzeichen 4 AZR 248/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 12.10.2016 - Az. 6 Ca 1919/16 - werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostentragungspflicht sich nach diesem Urteil bestimmt.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits - einschließlich denen der Berufung - trägt die Beklagte.
  3. Die Revision für die Beklagte wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Klägerin eine tarifliche Vergütung zusteht.

Die 39 Jahre alte Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem 01.03.1999 als Altenpflegerin beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag zwischen der "Einzelfirma Pflegezentrum D., Inhaber W. T." und der Klägerin vom 01./08.03.1999 heißt es unter anderem wie folgt:

"§ 2 Vergütung

Der Mitarbeiter erhält eine Grundvergütung entsprechend des BAT Kr IV/Stufe1, inkl. Ortszuschlag und allgemeine Zulage i.H.v. DM 3.506,72; zuzgl. Zulagen für Samstags-, Sonntags-, Nacht- und Feiertagsarbeit entsprechend der Betriebsvereinbarung.

Mit dieser Vergütung sind alle weitergehenden Ansprüche aus der vereinbarten Tätigkeit abgegolten.

§ 3 Sonderzahlungen

In der Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993, welche ein Bestandteil dieses Arbeitsvertrages ist, sind alle Sonderzahlungen geregelt.

...

§ 9 Betriebsvereinbarung

Die als Anlage beigefügte Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993 ist Bestandteil des Arbeitsvertrages. Darüber hinaus gelten alle betrieblichen Regelungen, sofern in diesem Arbeitsvertrag keine andere Vereinbarung getroffen ist sowie die Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts."

In der in Bezug genommenen Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993 ist unter anderem geregelt:

"§ 2 Lohn- und Vergütungsrichtlinien

1. Für die Angestellten nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages - BAT - vom 11. Januar 1961.

2. Für die Arbeiter/-innen nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Arbeiter/-innen des Bundes und der Länder vereinbarten Lohntarifvertrages des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter vom 31. Januar 1962.

3. Für die Auszubildenden nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Auszubildenden des Bundes und der Länder vereinbarten Vergütungsregelungen des Manteltarifvertrages für Auszubildende vom 6. Dezember 1974.

4. Änderungen beziehungsweise Ergänzungen der Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 3 treten zu dem Zeitpunkt in Kraft, in denen die Änderungen beziehungsweise Ergänzungen für Angestellte, Arbeiter/-innen und Auszubildende des Bundes und der Länder wirksam werden.

5. Absatz 4 gilt sinngemäß für die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Bestimmungen, die außer Kraft treten."

In § 3 der Betriebsvereinbarung befinden sich "Sonderregelungen" zu Krankenbezügen, Zuwendungen bei Heirat, Geburten, Jubiläen sowie im Todesfall des Arbeitnehmers, zur Weihnachtszuwendung, Urlaubsgeld, Dienstbefreiung an Rosenmontag und Zeitzuschlägen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages der Parteien wird auf Blatt 16 ff. der Akte, wegen des weiteren Inhalts der Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993 auf Blatt 23 ff. der Akte verwiesen. Die Betriebsvereinbarung wurde mit Wirkung zum 31.12.2001 gekündigt.

Die Klägerin ist (spätestens) seit dem 01.01.2002 infolge einer undatierten "Zustimmung zum Überleitungsvertrag" zwischen der Beklagten und dem Senioren- und Pflegezentrum C. GmbH & Co KG Arbeitnehmerin der Beklagten. Wegen des Inhalts der Zustimmungserklärung der Klägerin und des "Personal Überleitungsvertrags" der Unternehmen vom 21.01.2002 wird auf Blatt 20 ff. der Akte Bezug genommen. Ob und ggf. wann ein oder mehrere Betriebsübergänge im Sinne des § 613a BGB unter Beteiligung der Beklagten bzw. der Firma Pflegezentrum C. GmbH & Co KG stattgefunden haben, von denen das Arbeitsverhältnis der Klägerin betroffen war, ist ungeklärt. Die Klägerin erhielt seit Beginn des Arbeitsverhältnisses durchgehend eine Vergütung auf Basis des BAT, im Jahre 2006 wegen der von ihr verrichteten Tätigkeiten nach der Vergütungsgruppe Kr V. Nach Außerkrafttreten des BAT im Jahr 2006 fanden keine Gehaltserhöhungen mehr statt, die Klägerin vollzog allerdings einen Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgru...

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