Verfahrensgang

ArbG Brandenburg (Aktenzeichen 5 (4) Ga 11/96)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Berufungskläger auferlegt.

 

Tatbestand

Der Verfügungskläger, der seit 1972 bei dem Verfügungsbeklagten als Facharzt für Chirurgie in dessen Krankenhaus in … beschäftigt ist und dessen Arbeitsverhältnis durch eine Änderungskündigung vom 06.11.1996 von dem Verfügungsbeklagten außerordentlich zum 30.11.1996 gekündigt wurde, begehrt im Wege der am 27.11.1996 anhängig gemachten einstweiligen Verfügung die Weiterbeschäftigung als leitender Abteilungsarzt (Chefarzt) der chirurgischen Abteilung. Der Verfügungskläger, der die Änderungskündigung nicht unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Nachprüfung angenommen hatte, begründet seinen. Anspruch damit, daß die außerordentliche Änderungskündigung offensichtlich unwirksam sei, die Änderung der Arbeitsbedingungen ihn diskriminieren und ihn in seiner notwendigen Routine und Fingerfertigkeit behindern würden.

Durch das den Parteien am 18.12.1996 zugestellte Urteil vom 11.12.1996, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Brandenburg der Klage stattgegeben.

Hierzu hat es vorgetragen, daß dem Verfügungskläger ein allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch nach §§ 611, 242 BGB zur Seite stehe und daß eine auf betriebliche Erfordernisse gestützte außerordentliche Kündigung gem. § 32 Abs. 4 der Arbeitsvertragsrichtlinien für die Einrichtungen, die dem diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind (AVR), deren Geltung die Parteien in dem Dienstvertrag vom 14.04.1993 vereinbart hatten, ausgeschlossen sei. Darüber hinaus sei ein Verfügungsgrund gegeben, weil ein drohender erheblicher Nachteil anzunehmen sei, wenn nach der Art. des Arbeitsplatzes und dem Inhalt der Tätigkeit eine längere Abwesenheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer dem Arbeitnehmer nachteiligen Veränderung seiner Arbeitsbedingungen führen würde und eine abrupte Beendigung der Beschäftigung zum 30.11.1996 einen erheblichen Ansehensverlust für den Verfügungskläger zu befürchten sei.

Hiergegen richtet sich die am 19.12.1996 beim Landesarbeitsgericht Brandenburg eingelegte und gleichzeitig begründete Berufung des Verfügungsbeklagten.

Der Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, daß die außerordentliche Änderungskündigung durch den Verfügungsbeklagten nicht offenkundig unwirksam ist, weil jeglicher Ausschluß oder jegliche Erschwerung einer außerordentlichen Kündigung unzulässig und unwirksam sein. Weiterhin bestreitet der Verfügungsbeklagte einen behaupteten Ansehensverlust des Verfügungsklägers und führt an, daß ein schutzwertes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Verfügungsklägers daraus folge, daß bei der Beschäftigung zweier Chefärzte organisatorische Probleme auftreten würden.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Brandenburg – 5 Ga 11/96 – vom 11.12.1996 die Klage abzuweisen.

Der Verfügungskläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die gem. §§ 64 Abs. 3, 66 ArbGG, §§ 518 ff ZPO zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Dem Verfügungskläger steht ein Verfügungsanspruch zur Seite.

a) Nach dem Beschluß des Großen Senates vom 27.01.1985 (BAGE 48, 122 = NZA 1985, 702 = AP § 611 BGB „Beschäftigungspflicht” Nr. 14) hat der gekündigte Arbeitnehmer auch außerhalb der Regelung des § 102 Abs. 5 BetrVG, § 79 Abs. 2 BPersVG einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über die Auslauffrist einer außerordentlichen Kündigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegend schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegen stehen. Dies gilt im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung. Bei einer nicht offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Ungewißheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses in der Regel zunächst ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers einer Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses. Abweichend hiervon ist ein Weiterbeschäftigungsanspruch dann gegeben, wenn besondere Gründe vorliegen, die es rechtfertigen, die in der Regel geltende Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers zu verändern (LAG Köln, Urt. v. 26.11.1985 in NZA 1986, 136).

Dieser Anspruch ist auch, im Wege einer einstweiligen Verfügung durchsetzbar.

b) Die vom Verfügungsbeklagten mit Auslaufzeit zum 30.11.1996 ausgesprochene außerordentliche Änderungskündigung ist offensichtlich unwirksam.

Bei der von dem Verfügungsbeklagten ausgesprochenen außerordentlichen Änderungskündigung ist diese so zu behandeln, wie eine Beendigungskündigung. Denn der Verfügungskläger hat das Änderungsangebot nicht unter dem Vorbehalt einer sozialen Rechtfertigung der Änderung angenommen. Insofern ist nicht allein der Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ...

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