Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Konsultation mit dem Betriebsrat bei einer Massenentlassung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Konsultation mit dem Betriebsrat ist bei einer Massenentlassung nur dann ordnungsgemäß, wenn in einem faktisch abhängigen Unternehmen nicht nur die vordergründigen Gründe, sondern die Hintergründe ausführlich mitgeteilt werden.

 

Normenkette

KSchG § 17 Abs. 3a

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 23.07.2015; Aktenzeichen 38 Ca 2754/15)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. Juli 2015 - 38 Ca 2754/15 abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 9. Februar 2015 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 707,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den jeweiligen Teilbetrag von 353,94 EUR seit dem 28. Mai 2015 und dem 28. Juni 2015 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 85% und die Beklagte zu 15%, die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 11.435,88 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsstilllegung sowie über die Zahlung von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen für die Zeit der Freistellung ab dem 1. April 2015.

1.

Die Klägerin ist 57 Jahre alt und verheiratet. Sie ist mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Sie ist seit dem 1. Februar 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Angestellte im Bereich Gepäckermittlung (Lost & Found) auf dem Flughafen T. in Berlin in Vollzeit mit einem Bruttomonatseinkommen in Höhe von ca. 3.576,00 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in Berlin und Brandenburg (MTV BVD) Anwendung, nach dem die Gehaltszahlung bis zum 27. eines Monats erfolgen muss. § 16 Abs. 1 MTV BVD sieht Zuschläge für Feiertags-, Sonntags- und Nachtarbeit vor. Die Klägerin war bis Ende März 2015 regelmäßig sonntags, feiertags und in Nachtstunden eingesetzt. Für Januar erhielt sie diesbezügliche tarifliche Zuschläge in Höhe von 311,90 EUR brutto, für Februar 2015 in Höhe von 335,69 EUR brutto und für März 2015 in Höhe von 414,22 EUR brutto.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der W. Unternehmensgruppe. Die W. erbringt Dienstleistungen in den Bereichen Aviation, Facility und Industrie. Die W. A. S. Holding ist ein führender Spezialist für Flughafendienstleistungen. Kerngeschäft sind bodennahe Verkehrsdienstleistungen für Flughäfen und Fluggesellschaften, die das Unternehmen überwiegend mit eigenen Mitarbeitern erbringt. Im Einzelnen sind dies Airport Service, Ground Service, Passage Service, Cargo Service und Airport Personal Service.

Die Beklagte erbrachte mit insgesamt ca. 190 Arbeitnehmern weitgehend auf dem Flughafen Berlin-T. sowie mit zuletzt noch 14 Arbeitnehmern auf dem im Bundesland Brandenburg gelegenen Flughafen Berlin-Sch. verschiedene Dienstleistungen im Bereich der Passagierabfertigung (Passage Service). Im Bereich Check-In waren ca. 123 Arbeitnehmer tätig, im Bereich Gepäckermittlung (Lost & Found) ca. 41 Arbeitnehmer, davon 14 auf dem Flughafen Sch., im Bereich Datenbasis (IT-seitige Flugvorbereitung) 7 Arbeitnehmer und im Bereich VIP-Service (Betreuung der VIP-Lounge in T.) ca. 3 Arbeitnehmer tätig. Weitere Tätigkeiten entfaltete die Beklagte nicht. Einzige Auftraggeberin der Beklagten war die G. Berlin GmbH & Co. KG (GGB).

Die GGB wurde im Jahre 2008 durch die W. Gruppe erworben. Im Jahre 2011/2012 erfolgten eine organisatorische und eine rechtliche Trennung der verschiedenen Geschäftsbereiche der GGB in Passage bzw. Passagierabfertigung, Rampe bzw. Vorfeld, Verwaltung und Werkstatt. Während die Verwaltung bei der GGB verblieb, wurde der Bereich Werkstatt von der W. A. W. Service Berlin GmbH & Co. KG, der Bereich Rampe bzw. Vorfeld von der AGSB A. G. Service Berlin GmbH & Co. KG und der Betrieb Passage bzw. Passagierabfertigung von der Beklagten fortgeführt.

Ob im Jahre 2013 sämtliche Aufträge von der GGB in die W. C. GmbH & Co. KG transferiert wurden oder ob dieses nur zu ca. einem Drittel geschah, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls beschäftigte die GGB spätestens Ende 2013 keine Arbeitnehmer mehr.

Am 30. Juni 2014 endete der Auftrag der Passagierabfertigung am Flughafen Sch. für die Beklagte und wurde zum 1. Juli 2014 von der GGB der PSS GmbH & Co. KG übertragen. Gesellschafter der Komplementär GmbH, der P. S. Sch. GmbH (PSS), sind die GGB und ein Herr R. S., der nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerseite im Rahmen eines Treuhandvertrages an Weisungen der W.-Konzernleitung gebunden ist.

Am 15. September 2014 wurde die P. GmbH gegründet. Gegenstand der Gesellschaft ist unte...

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