Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts im Kündigungsrechtsstreit eines Flugkapitäns
Leitsatz (amtlich)
1. Für fliegendes Personal bildet der Stationierungsort regelmäßig den relevanten Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Ortes, von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Dies gilt sowohl für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 48 Abs. 1a ArbGG als auch für die nach Art. 21 EuGVVO.
2. Das Arbeitsgericht München ist schon deswegen als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, da die sich aus dem europäischen Zivilverfahrensrecht ergebende abschließende Zuständigkeit nicht durch nationale Regelungen überwunden werden kann.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3; ArbGG § 48 Abs. 1a; EGV 1215/2002 Art. 21 Abs. 1a, 1i, Art. 26; EGV 1215/2012 Art. 21 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 2012-12-12, Buchst. b Nr. i Fassung: 2012-12-12, Art. 26 Fassung: 2012-12-12
Tenor
Das Arbeitsgericht München wird als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.
Gründe
I.
Der Antragsteller war bei der Gemeinschuldnerin, deren Insolvenzverwalter der Antragsgegner zu 1) ist, als Flugkapitän beschäftigt. Er war auf Kurz- und Mittelstreckenflügen eingesetzt. Festgelegter Einsatzort war seit dem 01.05.2005 München als Station. Nach § 4 des Rahmenvertrages für Piloten ist die Station der dienstliche Wohnort.
Am 01.11.2017 war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin in Eigenverantwortung eröffnet worden, wobei der jetzige Insolvenzverwalter bis zum 16.01.2018 als Sachwalter eingesetzt war.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine Kündigung vom 21.11.2017 und verklagt insofern den Antragsgegner zu 1). Hinsichtlich der Antragsgegnerinnen zu 2) - 4) ist er der Ansicht, dass sein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebs(-teil)übergangs mit diesen fortbestehe, was durch entsprechende Feststellungsanträge ausgeurteilt werden soll. Der allgemeine Gerichtsstand für den Antragsgegner zu 1) ist Berlin, für die Antragsgegnerin zu 2) Köln, für die Antragsgegnerin zu 3) Düsseldorf und für die Antragsgegnerin zu 4) das für Luton zuständige englische Gericht.
Der Antragsteller beantragt,
das Arbeitsgericht Berlin als zuständiges Gericht in dem Rechtsstreit des Klägers in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin (AZ: 38 Ca 16333/17) gegen die Beklagte zu bestimmen.
Der Antragsteller ist der Ansicht, bei ihm könne nur schwerlich ein Schwerpunkt der Arbeit festgestellt werden, denn er sei immer auf wechselnden Strecken und an wechselnden Orten in verschiedenen Flugzeugen eingesetzt gewesen. München habe seine Bedeutung ausschließlich dadurch, dass er von hier aus teilweise seinen Dienst antreten musste und jedenfalls auch von München aus eingesetzt wurde. Briefing und Debriefing fanden immer am jeweiligen Start- und Landeflughafen statt. Die Zuordnung zu einer Heimatbasis sei dann irrelevant, wenn der Arbeitgeber eine solche bestimme, sie dann aber tatsächlich nicht in diesem Sinne nutzt. Art. 21 EuGVVO habe als Regelungsziel, dem Arbeitnehmer als dem schwächeren Vertragspartner einen angemessenen Schutz bei Klagen zu gewährleisten. Hierauf möchte er verzichten.
Die Antragsgegnerin zu 4) schließt sich diesen Ausführungen an.
Die Antragsgegnerinnen zu 2) und 3) rügen die örtliche Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts Berlin. Ihrer Ansicht nach komme es bei der Bestimmung des Gerichtsstandes bei Piloten auf den Einsatzort an.
II.
Das Arbeitsgericht München ist als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
1. Die Vorlage gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ist zulässig.
Das Verfahren wird nur auf Antrag des Klägers und nicht des angerufenen Gerichts eingeleitet (LAG Baden-Württemberg 14.10.2004 - 3 AR 21/04 - juris Rn. 7; BGH 07.03.1991 - I ARZ 15/91 - juris Rn 7). Ein solcher Antrag des Klägers liegt mit Schriftsatz vom 05.02.2018 vor.
Auch wenn der Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (" verklagt werden sollen") nahe legen könnte, dass ein solches Gesuch nur vor Rechtshängigkeit zulässig ist, ist allgemein anerkannt, dass eine Zuständigkeitsbestimmung auch nach Klageerhebung möglich bleibt (Zöller-Vollkommer § 36 ZPO Rn. 16).
§ 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wird ausschließlich in nationalen Fällen direkt und in Fällen mit internationaler Zuständigkeit entsprechend angewandt (Zöller-Vollkommer § 36 ZPO Rn. 2a mwN; BGH 06.05.2013 - X ARZ 65/13 Rn. 16). Handelt es sich um einen Streit über die örtliche Zuständigkeit innerhalb des beschrittenen Rechtswegs, ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 36 Abs. 2 ZPO das Landesarbeitsgericht zuständig, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Arbeitsgericht gehört (BAG 02.07.2014 - 10 AS 3/14 - juris Rn. 4). Da bisher nur das Arbeitsgericht Berlin mit der Sache befasst war, ist daher das hiesige Landesarbeitsgericht zuständig.
Ein Rechtsschutzinteresse ist gegeben. Die Antragsgegner haben sich nicht rügelos auf den Rechtsstreit eingelassen (§ 39 ZPO, Art. 26 EuGV...