Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 04.10.1995; Aktenzeichen 18 Ca 3100/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.05.1997; Aktenzeichen 6 AZR 220/96)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Landes Baden-Württemberg wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 04.10.1995 – 18 Ca 3100/95 – abgeändert:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin erstrebt mit der am 04.04.1995 eingereichten Feststellungsklage die Bewertung bestimmter im Dienste des beklagten Bundeslandes verbrachter Zeiten als Beschäftigungszeit im Sinn von § 19 BAT.

Die Klägerin, geb. 28.04.1939. ist seit 1976 bei dem beklagten Bundesland angestellt und wird in unterschiedlichem zeitlichem Umfang als Turn- und Gymnastiklehrerin an allgemeinbildenden Schulen beschäftigt. Bei einem Regelstundenmaß von 29 Wochenstunden hatte sie während der klagegegenständlichen Zeiträume eine Unterrichtsverpflichtung von 13 Wochenstunden.

Mit Schreiben vom 30.11.1994 bat sie erfolglos um „volle Anrechnung meiner Beschäftigungszeiten seit 01.04.1989” (Abl. 19/20), was durch Anwaltsschreiben vom 13.03.1995 auf alle im Dienste des beklagten Bundeslandes geleisteten Zeiten erweitert wurde (ABl. 21/23). Unter dem 17.03.1995 wurde ihr eine „Festsetzung der Beschäftigungszeit nach § 19 BAT,…” übermittelt (Abl. 24/26).

Sie hat die Ansicht vertreten, die tarifliche Regelung, die die Nichtberücksichtigung der klagegegenständlichen Zeiten zur Folge gehabt habe, verstoße gegen § 2 Abs. 1 BeschFG.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, die Beschäftigungszeit der Klägerin unter Berücksichtigung folgender Zeiten festzusetzen:

  1. 12.01.76-31.07.77
  2. 08.08.77-31.07.78
  3. 23.01.79-05.09.79
  4. 01.10.81-31.03.89.

Das beklagte Bundesland hat beantragt.

die Klage abzuweisen.

Es hat den gegenteiligen Rechtsstandpunkt eingenommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Denn die Übergangsvorschrift in § 2 des 66. Änderungstarifvertrages zum BAT könne nicht dahin verstanden werden, die vor dem 01.04.1991 erreichten, durch § 3 Bst. q BAT ausgeschlossenen Zeiten hätten unberücksichtigt zu bleiben.

Mit der Berufung erstrebt das beklagte Bundesland weiterhin die Abweisung der Klage. Es rügt im wesentlichen, das Arbeitsgericht habe die Übergangsvorschrift nicht zutreffend ausgelegt.

Das beklagte Bundesland beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis, hält aber dafür, die von ihr erstrebte Rechtsfolge leite sich aus § 2 Abs. 1 BeschFG her.

Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Unterlagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat Erfolg.

Das in der verlängerten Frist ausgeführte Rechtsmittel ist auch im übrigen zulässig, insbesondere im weiteren Sinn statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt DM 1.500,–.

Der Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts nach § 61 Abs. 1 ArbGG kommt – allenfalls – Bedeutung für die Bemessung der Beschwer zu. Eine Bindungswirkung kann sie für das Berufungsgericht also nur entfalten, wenn sie daran ausgerichtet und (kumulativ) im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht offensichtlich unrichtig ist. Ob ersteres hier gegeben ist, erscheint zweifelhaft (vgl. die Angabe des „Klägervertreters”, Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts Bl. 39 d. A. und Nr. III S. 2 im Urteilsabschnitt „Entscheidungsgründe”). Das und damit auch die Frage, ob sich die Beschwer des beklagten Bundeslandes nach den nämlichen Kriterien wie eine solche der Klägerin bemißt (BAG vom 27.05.1994 – 5 AZB 3/94 –) kann aber offenbleiben, denn die zweitangeführte Bindungsvoraussetzung ist nicht erfüllt. Der für die Bemessung der Beschwer maßgebende Streitwert bestimmt sich nach §§ 2, 3 ZPO, also nach dem wirtschaftlich zu würdigenden Interesse des beklagten Bundeslandes an der Abwehr des erhobenen Begehrens. Einen Regelstreitwert gibt es nicht. Der in § 8 Abs. 2 S. 2 BRAGO bestimmte, allgemein als sogenannter Anknüpfungswert bezeichnete Betrag von DM 8.000,– betrifft nicht einen der verschiedenen Streitwerte, sondern allein den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit. Auf ihn kann im Rahmen der Bemessung des Beschwer-Streitwerts auch nicht hilfsweise zur Konkretisierung zurückgegriffen werden. Dies nicht nur aus den keiner Anführung bedürfenden Gründen der Normsystematik, sondern vor allem deshalb, weil in jene Bestimmung, die als Taxe im Sinne von § 612 Abs. 2 BGB anzusehen ist, noch andere wertbestimmende Elemente als das Interesse des Auftraggebers einfließen.

Für die Bewertung des Abänderungsinteresses ist von folgendem auszugehen:

Die streitige Feststellung kann das beklagte Bundesland in Hinsicht auf die Krankenbezüge n...

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