Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausübung billigen Ermessens bei der Leistungsbestimmung auf der Grundlage von Geschäftszielen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Anforderungen an den für den Erfüllungsanspruch erforderlichen Inhalt der Zielvereinbarung bei Anwendbarkeit der Betriebsvereinbarung Bonus 2017 (Ulm).

2. Einzelfallentscheidung im Nachgang zu BAG 13. Oktober 2021 - 10 AZR 729/19 - in einem Parallelverfahren.

 

Leitsatz (redaktionell)

Trifft der Arbeitgeber eine Leistungsbestimmung betreffend die Geschäftsziele unternehmensübergreifender konzernbezogener Vorgaben, entspricht diese Leistungsbestimmung nicht billigem Ermessen gem. § 315 Abs. 1 BGB, wenn die zugrundeliegende Betriebsvereinbarung über Zielvereinbarungen diesen konzernbezogenen Rahmen nicht vorgibt. Die Leistungsbestimmung des Arbeitgebers ist dann gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich.

 

Normenkette

BGB § 315 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Entscheidung vom 12.07.2021; Aktenzeichen 4 Ca 344/20)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 12. Juli 2021 (4 Ca 344/20) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.756,78 Euro brutto zu bezahlen.
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

  • III.

    Die Beklagte hat die Kosten erster Instanz zu 97,5 Prozent und die Klägerin zu 2,5 Prozent zu tragen. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

  • IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer variablen Vergütung für das Jahr 2017.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlich unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Ergänzend ist Folgendes unstreitig:

Die Firmen Teva Biotech GmbH, Merckle GmbH und Ratiopharm GmbH (...) unterhalten am Standort Ulm einen Gemeinschaftsbetrieb, welchem die Klägerin zugehörte. Die BV Bonus wurde für diesen Gemeinschaftsbetrieb abgeschlossen.

Die Klägerin war im Jahr 2017 AT-Mitarbeiterin. Sie gehörte jedoch (noch) nicht den Hierarchieebenen 15+ an.

Die Geschäftsleitungen der am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen haben mit dem Betriebsrat eine Aussetzung der Ausschlussfristenregelungen in Bezug auf den Bonus 2017 vereinbart bis zum Abschluss des vom Betriebsrat betriebenen Beschlussverfahrens, welches mit Beschluss des BAG vom 23. Februar 2021 (1 ABR 12/20) sein Ende fand.

Die Klägerin führte mit ihrem Vorgesetzten M. H. insbesondere am 27. März 2017 ein Zielvereinbarungsgespräch über die persönlichen Ziele. Die dabei vereinbarten persönlichen Ziele wurden anschließend in das System der Beklagten eingegeben. Sie waren auch nochmals Gegenstand des Mid Term Reviews. Zum Inhalt dieser Ziele wird auf die Anlage BBK2 (Bl. 175 bis Bl. 177 der LAG-Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 12. Juli 2021 weitestgehend stattgegeben und die Beklagte zu einer Zahlung iHv. 8.791,35 Euro brutto verurteilt. Es führte zur Begründung aus, die Festsetzung eines BPF Null mit der Folge, dass sich unter Anwendung der Bonusberechnungsformel eine variable Vergütung von Null ergebe, entspreche nicht billigem Ermessen. Insbesondere dürften unternehmensübergreifende, konzernbezogene Ziele bei der Bonusberechnung keine Berücksichtigung finden. Im Rahmen der gebotenen gerichtlichen Leistungsbestimmung sei auszugehen von einem vertraglichen Zielbonuswert von 10 Prozent und einem Jahresbruttomonatsgrundgehalt von 75.816,30 Euro. Der lediglich aus den Zielen des Geschäftsbereichs zu ermittelnde BPF betrage 96,63 Prozent. Dabei sei das Kriterium "GGM Gewinn von Markteinführungen" nicht mit Null anzusetzen, sondern mit dem tatsächlichen Zielerreichungsgrad von 61 Prozent. Das Ziel der "Kosteneinsparungen" sei mit 156 Mio. USD im Vergleich zu geplanten 78 Mio. USD um 100 Prozent übererfüllt worden. Das Ziel "Kundenservicegrad" sei zu 98 Prozent erreicht worden. Eine weitere Skalierung über sogenannte Score Keys sei nicht ermessensgerecht. Mangels konkreter Darlegungen der Beklagten sei die Zielerreichung bezogen auf das Ziel "People Initiatives" mit 100 Prozent anzusetzen. Der in die Berechnungsformel einzustellende individuelle Zielerreichungsgrad (IPF) sei entsprechend der Bewertung der Beklagten mit "outstanding" mit 120 Prozent zu bewerten.

Dieses Urteil wurde der Beklagten am 28. Juli 2021 zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung der Beklagten, die am 30. Juli 2021 beim Landesarbeitsgericht einging und innerhalb der bis 28. Oktober 2021 verlängerten Begründungsfrist am 11. Oktober 2021 begründet wurde.

Die Beklagte hält das Urteil für fehlerhaft.

Sie rügt eine fehlerhafte Auslegung der BV Bonus durch das Arbeitsgericht und meint weiterhin, dass bei der Ermittlung des BPF auch unternehmensübergreifende, konzernbezogene Ziele zu berücksichtigen seien. Die Kappungsgrenze von 80 Prozent sei sa...

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