Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Feststellung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für einen manipulierten Unfall (hier: Anstoß mittels 14 Jahre altem Opel mit roten Kennzeichen, der einen Tag vor dem Schadensereignis für 100 DM erworben wurde, gegen geparkten, im Bereich der Anstoßstelle und auch i.Ü. erheblich vorgeschädigten BMW, dessen sach- und fachgerechte Reparatur vom Kläger nicht dargelegt wird, wobei Grund des Anstoßes gewesen sei ein Ausweichen vor einem unbekannt gebliebenen Kind, das plötzlich die Straße überquert habe).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 19.05.2003; Aktenzeichen 17 O 131/01)

 

Tenor

Das am 19.5.2003 verkündete Versäumnisurteil des Senats wird aufrechterhalten.

Der Kläger hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die nach fristgerechtem Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Senats vom 19.5.2003 weiterverfolgte Berufung ist erfolglos. Das LG hat die Klage auf Ersatz von Schäden aus einem behaupteten Verkehrsunfall vom 22.9.2000 zwischen dem BMW 728 des Klägers und dem Opel Kadett des Beklagten zu 1), haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2), zu Recht abgewiesen: Eine ungewöhnliche Zahl von Indizien gestattet mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die Annahme, dass es sich – sollten die Fahrzeuge miteinander kollidiert sein – um einen so genannten „gestellten Unfall” handeln würde, aus dem der Kläger keine Schadensersatzansprüche ableiten kann. Darüber hinaus scheitert der Kläger, weil er nicht hinreichend dargelegt und bewiesen hat, dass die Schäden an seinem BMW, für die er Ersatz verlangt, auf die behauptete Kollision zurückzuführen sind. Das Berufungsvorbringen des Klägers gibt keine Veranlassung, die Sache anders zu beurteilen.

A. Das LG ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, eine ungewöhnliche Zahl von Beweisanzeichen deute auf einen gestellten Unfall hin. Der Senat folgt dieser Beurteilung.

I. Grundsätzlich obliegt es dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls, die Verursachung des Schadens durch das gegnerische Fahrzeug darzutun und zu beweisen. Ferner hat der Geschädigte das Ausmaß des unfallbedingten Schadens darzulegen und zu beweisen. Selbst wenn dem Geschädigten diese Beweise gelingen, entfällt eine Haftung des Schädigers, Halters des gegnerischen Fahrzeugs und des Haftpflichtversicherers, wenn in ausreichendem Maße Umstände vorliegen, die die Feststellung gestatten, dass es sich bei dem Schadensereignis um einen verabredeten Unfall gehandelt hat. In diesem Fall scheitert ein Ersatzanspruch an der Einwilligung des Geschädigten, ohne dass besonders auf § 152 VVG abzustellen wäre, Den Nachweis, dass ein vorgetäuschter Unfall vorliegt, hat grundsätzlich der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu führen. Doch genügt der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für unredliches Verhalten. Die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen, die für eine Manipulation spricht, gestattet eine entsprechende Feststellung (§ 286 ZPO; grundlegend BGHZ 71, 339 = VersR 1978, 242 = NJW 1978, 2154; VersR 1979, 514: st. Rspr. d, KG, vgl. schon KG v. 5.2.1990 – 12 U 1033/89, NZV 1991, 73; zuletzt Urt. v. 5.12.2002 – 12 U 7990/00, KGReport Berlin 2003, 143, m.w.N.).

II. In Anwendung dieser Grundsätze spricht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine mögliche Kollision des Opels des Beklagten zu 1) und des geparkten BMWs des Klägers nicht auf Zufall, sondern auf eine Unfallmanipulation zurückzuführen ist. Diese Wahrscheinlichkeit ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der örtlichen und zeitlichen Verhältnisse sowie des behaupteten Hergangs der Kollision, der beteiligten Fahrzeuge sowie des Verhaltens des Klägers bei der Schadensfeststellung, § 286 ZPO.

1. Das LG hat zutreffend hervorgehoben, dass die örtlichen und zeitlichen Verhältnisse der behaupteten Kollision auf eine Manipulation hindeuten.

a) Typischerweise liegt es im Interesse der Beteiligten eines gestellten Unfalls, durch entsprechende Wahl des Kollisionsortes und der Fahrzeuganordnung einerseits das Beobachtungsrisiko und das Verletzungsrisiko des Schädigerfahrers herabzusetzen und andererseits die Chance zu erhöhen, dem „Opferfahrzeug” gezielt Schäden zuzufügen.

b) Dieser Interessenlage entspricht die vorliegende Situation in der P.-Straße.

(1) Das Beobachtungsrisiko war gering. Das Geschehen soll sich am 22.9.2000 abends um 20.20 Uhr in der P.-Straße in Höhe des Hauses Nr. 54 zugetragen haben. Unstreitig befinden in diesem Bereich auf der gegenüberliegenden Seite nur Schulgebäude; solche Gebäude sind zu der genannten Uhrzeit üblicherweise leer – zu Recht trägt selbst der Kläger vor, Publikumsverkehr käme in Schulgebäuden um diese Zeit nur ausnahmsweise vor. Nimmt man hinzu, dass ausweislich der polizeilichen Feststellungen in der Verkehrsunfallanzeige vom 22.9.2000 Dunkelheit herrschte, war die Wahrscheinlichkeit deutlich herabgesetzt, dass ein möglicher Unfall von zufälligen Zeugen überhaupt beobachtet werden konnte und dass diese zuverlässig...

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