Leitsatz (amtlich)

§ 29 ZPO gibt dem Krankenhausträger keinen internationalen Gerichtsstand am Klinikort für den Honoraranspruch.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 07.10.2010; Aktenzeichen 13 O 460/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.12.2011; Aktenzeichen III ZR 114/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Berlin vom 7.10.2010 - 13 O 460/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuweisen, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen. Die Klägerin verlangt die Bezahlung von stationären Behandlungskosten. Der Beklagte ist Serbe und war ausweislich des Krankenhausaufnahmevertrages zu diesem Zeitpunkt in Belgrad wohnhaft. Nach Rechnungsstellung hat die Klägerin den Beklagten vor dem LG Berlin, also am Klinikort, in Anspruch genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil kein (internationaler) Gerichtsstand in Berlin begründet sei. Auch über § 269 BGB werde kein Gerichtsstand am Kliniksitz begründet.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.

II. Die Klage ist unzulässig, da die deutschen Gerichte international nicht zuständig sind.

1. Da die Zuständigkeitsfragen in Rechtsverkehr mit Serbien weder durch internationales noch binationales Abkommen geregelt sind, richtet sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach der örtlichen Zuständigkeit (§ 12 ff. ZPO).

2. Da der Beklagte unstreitig keinen Wohnsitz im Bereich der örtlichen Zuständigkeit des LG Berlin besitzt oder zum Zeitpunkt des Abschlusses des Behandlungsvertrages besaß, kann sich eine örtliche Zuständigkeit nur nach den Regelungen des § 29 ZPO i.V.m. §§ 269, 270 Abs. 4 BGB ergeben, wenn Erfüllungsort für die Leistungspflicht des Beklagten im mit der Klägerin geschlossenen Behandlungsvertrag, d.h. für die Geldleistungspflicht, der Sitz der Klägerin ist.

3. Gemäß § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Die Vorschrift verweist auf die Regelung des materiellen Rechts. Da der Krankenhausaufnahmevertrag in Deutschland mit einem deutschen Träger geschlossen wurde, der Schwerpunkt des Vertrages demnach in Deutschland liegt, ist anzuwendendes Recht deutsches BGB (Art. 28 Abs. 2 EGBGB, der auf den Vertragsschluss 2005 noch Anwendung findet). Danach hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, sofern nicht ein anderer Ort von den Parteien bestimmt oder aus den Umständen, insbesondere der Natur des Rechtsverhältnisses zu entnehmen ist (§ 269 Abs. 1 BGB). Bei gegenseitigen Verträgen besteht danach im Allgemeinen kein einheitlicher Leistungsort; dieser muss grundsätzlich für jede Verpflichtung gesondert bestimmt werden (BGH, Urt. v. 9.3.1995 - IX ZR 134/94, WM 1995, 833, 834; BGH, Urt. v. 4.3.2003 - IX ZR 101/03 NJW-RR 2004, 932).

3. Im Zweifel ist schon aus dem Grundsatz des Verbraucherschutzes, der sowohl das deutsche als auch das europäische Zivilrecht prägt, Leistungsort der jeweilige Wohnsitz des Schuldners. Da die Klägerin eine davon abweichende Vereinbarung nicht behauptet hat - insbesondere ist die Vereinbarung des Gerichtsstandes der Klägerin im Aufnahmevertrag vom 19.4.2005 in dieser Form wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam (vgl. Palandt/Grüneberg, § 307 Rz. 107 m.w.N.) und beinhaltet als Gerichtsstandsvereinbarung keine (nach § 29 Abs. 2 ZPO hier unzulässige) vertragliche Vereinbarung des Erfüllungsorts -, käme ein anderer Ort nur in Betracht, wenn er sich aus der Natur des Schuldverhältnisses herleiten ließe.

a) Die streitige Leistungspflicht ist nicht von einer Beschaffenheit, die es als sachgerecht und deshalb im mutmaßlichen Willen der Parteien liegend erscheinen lassen könnte, sie nicht an dem in § 269 Abs. 1 BGB genannten Wohnsitz des Beklagten zu erfüllen. Der Beklagte schuldet im Falle der sachlichen Berechtigung der geltend gemachten Forderung lediglich Geld. Insoweit besteht anders als etwa bei einer Verpflichtung, die auf Übergabe eines Grundstücks, auf Auflassung desselben oder auf Herstellung eines Werks an einer bestimmten Stelle gerichtet ist, keine bestimmte örtliche Präferenz. Das steht in Einklang mit § 270 BGB, nach dessen Abs. 4 bei Geldschulden die Vorschrift über den Leistungsort unberührt bleibt (BGH Urt. V. 11.11.2003 - X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20 ff.).

b) Auch das Schuldverhältnis der Parteien weist keine Besonderheiten auf, die allein einen bestimmten anderen Leistungsort als den jeweiligen Wohnsitz eines Beklagten umständegerecht sein lassen.

aa) In Frage steht nach dem behaupteten Inhalt des Krankenhausaufnahmevertrags - wie auch durch die Abrechnu...

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