Orientierungssatz

Zur gerichtlichen Überprüfung einer vermeintlich objektiv willkürlichen Einstellung eines Ermittlungsverfahrens nach § 154 Abs. 1 StPO im Verfahren gemäß §§ 23 ff EGGVG.

 

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Geschäftswert wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ein gegen den Antragsteller wegen des Verdachts des versuchten Betruges geführtes Ermittlungsverfahren gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt, weil die Strafe, die ihm - möglicherweise auch nur wegen Beihilfe zu diesem Delikt - drohe, nicht beträchtlich ins Gewicht falle neben derjenigen, die er in einem Strafverfahren zu erwarten habe, in dem er wegen Verbrechen und Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung angeklagt ist. Mit seinem auf "§ 23 EGGVG analog" gestützten Antrag auf gerichtliche Entscheidung begehrt der Antragsteller, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft dahin abzuändern, dass das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen stehe seine Unschuld eindeutig fest, sowohl was den Vorwurf des versuchten Betrugs als auch eine etwaige Beihilfe betreffe. Die Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO sei deshalb willkürlich und nicht hinnehmbar und müsse durch eine Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO ersetzt werden.

Der Antrag ist unzulässig.

1.

Der Rechtsweg gemäß den §§ 23 ff EGGVG ist nicht eröffnet. Anträge nach diesen Vorschriften können nur auf die Beseitigung, die Vornahme oder die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Justizverwaltungsaktes im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG gerichtet werden. Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, die sich - wie hier die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 154 Abs. 1 StPO - auf die Einleitung, Durchführung, Gestaltung oder Beendigung eines Strafverfahrens beziehen, stellen keine den Einzelfall regelnde Verwaltungsakte, sondern Prozesshandlungen dar, die der richterlichen Kontrolle nur nach Maßgabe der abschließenden Regelungen der Strafprozessordnung unterliegen und damit einer Überprüfung nach den §§ 23 ff EGGVG entzogen sind. Dies entspricht verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG NStZ 1984, 228; NJW 1984, 1451; NJW 1985, 1019) der ständigen Rechtsprechung des Kammergerichts (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 3. Mai 2007 - 1 VAs 33/07 - bei [...]) und der ganz herrschenden Meinung (vgl. LR/Böttcher, StPO 25. Aufl., § 23 EGGVG Rdn. 53 m.w.N.).

2.

Der Antragsteller stellt die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung nicht in Frage. Er hält jedoch in Übereinstimmung mit einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Heinrich in NStZ 1996, 110, 115) eine analoge Anwendung der §§ 23 ff EGGVG ausnahmsweise dann für geboten, wenn die beanstandete Prozesshandlung der Staatsanwaltschaft "objektiv willkürlich", d.h. unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar und schlechthin unhaltbar ist.

3.

Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen (BVerfGE 51, 176, 184; NStZ 2004, 447; NJW 1984, 1451; NStZ 1984, 228) zum Ausdruck gebracht, dass es mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG dazu neigt, eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unanfechtbarkeit staatsanwaltschaftlicher Prozesshandlungen zu bejahen, wenn ein Verstoß gegen das Willkürverbot geltend gemacht wird (vgl. LR/Böttcher a.a.O., § 23 EGGVG Rdn. 112). Die für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsbehelfs erforderliche Beschwer des Betroffenen hat es im Falle einer Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO dann für gegeben erachtet, wenn diese nach Aktenlage ersichtlich schlechthin unhaltbar sei und mit der Versagung der Erstattung notwendiger Auslagen einhergehe (vgl. BVerfG NJW 1997, 46). Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass ein Beschuldigter durch eine Einstellung nach § 154 StPO zwar grundsätzlich nicht beschwert sei, es jedoch anders liege, wenn seine Unschuld "eindeutig feststeht" (BGH wistra 2007, 31).

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht bislang noch nicht entschieden, in welchem Verfahren ein Betroffener die Überprüfung einer von ihm als objektiv willkürlich empfundenen Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO geltend machen kann. Denkbar wäre es auch, eine entsprechende Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO zu erwägen (vgl. LR/Böttcher a.a.O., § 23 EGGVG Rdn. 112). Das Bundesverfassungsgericht hat nicht ausgesprochen, dass die Überprüfung analog den §§ 23 ff EGGVG durch das Oberlandesgericht zu geschehen habe. Seine Entscheidung in NJW 1997, 46 erging in einem Fall, in dem der Betroffene gegen die Auslagenentscheidung in einem richterlichen Beschluss nach § 154 Abs. 2 StPO unmittelbar Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in wistra 2007, 31 brauchte sich ebenfalls nicht damit auseinanderzusetzen, ob das Oberlandesgericht entsprechend den §§ 23 ff EGGVG die Verfahrenseinstellung auf objektive Willkür zu überprüfen habe. Dort hatte sich der Betroffene (erfolglos) mit einer Gegenvorstellung gegen eine Einstellung des V...

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