Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Erfordernis, den Aufgabenkreis des Betreuers zu erweitern

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist nicht erforderlich, den Aufgabenkreis eines Betreuers zu erweitern, wenn der Betroffene geistig behindert ist, seine Angelegenheiten in dem fraglichen Bereich aber gleichwohl selbst besorgen kann. Die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hat das VormG zu treffen, sie dürfen nicht allein einem medizinischen Gutachter überlassen werden.

 

Normenkette

BGB § 1908d Abs. 3; FGG § 12

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 02.11.2004; Aktenzeichen 83 T 408/04)

AG Berlin-Mitte (Aktenzeichen 51-XVII O 33)

 

Tenor

Die - teils sofortige - weitere Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit der angefochtene Beschluss die Verlängerung der Betreuung mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten sowie des Einwilligungsvorbehaltes für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge zum Gegenstand hat.

Im Übrigen wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Erörterung und Entscheidung nach Maßgabe der folgenden Gründe an das LG Berlin zurückverwiesen.

 

Gründe

Die gem. §§ 27, 29 Abs. 1 FGG zulässige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des LG vom 2.11.2004 hat nur zum Teil Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 546 f. ZPO), soweit sie die Verlängerung der bestehenden Betreuung bestätigt. Sie verletzt jedoch den Betroffenen in seinen Rechten, soweit das LG die Voraussetzungen für eine Erweiterung der Betreuung um die Aufgabenkreise "Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung zum Zweck der Heilbehandlung" bejaht hat.

1. Zu Recht hat das LG die Beschwerde des Betroffenen als zulässig angesehen und die Voraussetzungen für die Verlängerung der seit Anfang 1997 bestehenden Betreuung des Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten gem. §§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB, 69i Abs. 6 S. 1 FGG sowie für die Verlängerung des angeordneten Einwilligungsvorbehalts in Vermögensangelegenheiten gem. §§ 1903 Abs. 1 BGB, 69i Abs. 6 S. 1 FGG bejaht. Das LG durfte nach dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie J.W. vom 18.2.2004, den Berichten des Betreuers und dem Ergebnis der mündlichen Anhörung des Betroffenen vom 18.5.2004 davon ausgehen, dass der Betroffene unverändert eine mit einer Persönlichkeitsstörung verbundene Intelligenzminderung aufweist, in Vermögens- sowie in Wohnungsangelegenheiten Hilfe durch einen Betreuer benötigt und der angeordnete Einwilligungsvorbehalt weiterhin notwendig ist, um eine erhebliche Gefahr für das Vermögen des Betroffenen abzuwenden. Die Feststellungen des LG hierzu beruhen auf einer möglichen tatrichterlichen Würdigung. Das Gutachten vom 18.2.2004, welches in der psychischen Beurteilung des Betroffenen mit den früheren Fachgutachten der Ärzte vom Sozialpsychiatrischen Dienst übereinstimmt, bildet nach § 68b Abs. 1 FGG eine ausreichende Grundlage für die Feststellung der Persönlichkeitsstörung des Betroffenen. Die Auswirkungen der eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten des Betroffenen, insb. die herabgesetzte Urteilsfähigkeit ggü. seinen finanziellen Möglichkeiten und seine Hilflosigkeit ggü. den Anfeindungen aus dem Wohnumfeld, sind zudem während der Begutachtung sowie bei der Anhörung des Betroffenen vor dem AG deutlich zutage getreten und durch den Bericht des Betreuers vom 2.3.2004 belegt. Die Schlussfolgerung des LG, dass das Unvermögen des Betroffenen zur Einteilung seiner Mittel fortbesteht und das finanzielle Auskommen des Betroffenen ohne Einwilligungsvorbehalt gefährdet wäre, ist im Hinblick auf die aktenkundigen Vorgeschichte rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

2. Die angefochtene Entscheidung kann jedoch keinen Bestand haben, soweit sie die Erweiterung der Bestellung um den Aufgabenkreis "Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung zum Zweck der Heilbehandlung" betrifft.

Voraussetzung für die Bestellung eines Betreuers ist nach § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB, dass ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen oder - wie hier - gegen seinen Willen, setzt ferner voraus, dass der Betreute aufgrund seiner Erkrankung seinen Willen in dem fraglichen Bereich nicht frei bestimmen kann (BayObLG v. 25.7.1994 - 3Z BR 97/94, BayObLGReport 1994, 76 = BtPrax 1994, 209; v. 8.3.2001 - 3Z BR 62/01, FamRZ 2001, 1245). Dabei darf nach §§ 69i Abs. 1 S. 1, 68b Abs. 1 S. 1 FGG ein Betreuer erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens bestellt werden, da die Bestimmungen für die erstmalige Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers für die Erweiterung des Aufgabenkreises eines Betreuers entsprechend gelten.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze reichen die tatsächlichen Feststellungen des LG nicht aus, um die ...

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