Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung: Haftprüfung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einer Vorführung des Beschuldigten nach § 115 StPO kann auch die Terminsgebühr der Nr. 4102 Nr. 3 VV-RVG anfallen. Maßgeblich ist stets, dass der Verteidiger im Termin für den Beschuldigten in der Weise tätig geworden ist, dass er Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben oder Anträge gestellt hat, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden.

 

Gründe

I.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die dem Pflichtverteidiger aus der Landeskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen durch Beschluss vom 10. Januar 2006 auf 887, 28 EUR festgesetzt und es dabei ablehnt, dem Rechtsanwalt auch die für den Termin zur Verkündung des Haftbefehls am 8. Juli 2005 nach den Nrn. 4102, 4103 VV RVG geltend gemachte Gebühr in Höhe von 137,00 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer) zu bewilligen. Auf seine Erinnerung hat das Landgericht (Einzelrichter) durch vom 21. Februar 2006, ohne zuvor die Bezirksrevisorin angehört zu haben, die Entscheidung der Urkundsbeamtin aufgehoben und die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die Bezirksrevisorin hat dagegen "Beschwerde gem. § 56 RVG/Erinnerung gem. § 56 RVG" eingelegt und hilfsweise "Gegenvorstellungen" erhoben. Der Einzelrichter hat daraufhin durch Beschluss vom 24. März 2006 die angefochtene Entscheidung mit der Maßgabe bestätigt, dass er die Beschwerde zugelassen hat. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

II.

Der Senat entscheidet über die 'Beschwerde durch den Einzelrichter (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Er ist zwar an die Zulassung der Beschwerde durch das Landgericht gebunden, nicht aber an die dieser Entscheidung zugrunde liegende Bewertung, die Sache sei von grundsätzliche Bedeutung. Einer Übertragung auf den Senat nach den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG bedarf es hier nicht.

Zu klären ist nämlich nicht, ob dem Verteidiger eine Gebühr nach den Nrn. 4102, 4103 VV RVG zusteht, wenn im Termin zur Verkündung des Haftbefehls über die Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt worden ist. Denn ein solcher Anspruch ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut des Gebührentatbestandes Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG und steht auch nach dem Beschluss des Senats vom 31. August 2005 (4 Ws 101/05) nicht in Frage. Denn dieser Entscheidung, auf die sich die Bezirksrevisorin beruft, lag der völlig anders gelagerte Sachverhalt zugrunde, dass in einem reinen Verkündungstermin nicht über die Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt worden war. Dass bei einer Vorführung des Beschuldigten nach § 115 StPO auch die Terminsgebühr anfallen kann, hat der Senat keineswegs ausgeschlossen. Er hat vielmehr ausgeführt, dass sie nach Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG dann entsteht, wenn der Verteidiger im Termin für den Beschuldigten in der Weise tätig geworden ist, dass er Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben oder Anträge gestellt hat, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden. Dagegen trägt die Beschwerdeführerin auch nichts vor. Sie stellt lediglich in Abrede, dass hier eine solche Verhandlung stattgefunden hat. Der Senat hat daran jedoch keine Zweifel.

Zwar enthält das amtsgerichtliche Protokoll vorn 8. Juli 2005 keine Ausführungen und Anträge des Verteidigers zur Haftfrage. Es ist darin aber vermerkt, dass die Staatsanwaltschaft "telefonisch nicht zu erreichen" war. Das weist darauf hin, dass nach der Verkündung des Haftbefehls tatsächlich, wie der Verteidiger vorträgt, über die Haftfrage verhandelt worden ist und sich der Ermittlungsrichter noch vor seiner Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Haft (§ 115 Abs. 4 StPO) zu dem Versuch veranlasst sah, die Staatsanwaltschaft zu dem Vorbringen des Verteidigers anzuhören. Welchen Sinn eine telefonische Kontaktaufnahme zu diesem Zeitpunkt sonst gehabt haben könnte, ist auch dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen. Wie sich zudem aus den Akten ergibt, hatte der Verteidiger die Selbststellung des Beschuldigten in die Wege geleitet und mit Schriftsatz vom 7. Juli 2005 - ausführlich begründet - die Aufhebung beziehungsweise Außervollzugsetzung des Haftbefehls beantragt sowie ausdrücklich auf seiner Anwesenheit bei der Haftbefehlsverkündung bestanden. Die Annahme, der Verteidiger habe unter diesen Umständen dann im Termin sein Ziel der Freilassung des Beschuldigten nicht weiter verfolgt und zur Haftfrage geschwiegen, ist lebensfremd. Soweit die Bezirksrevisorin zu meinen scheint, wegen der Abwesenheit eines Vertreters der Staatsanwaltschaft habe im Termin überhaupt nicht über die Haftfrage verhandelt werden können, findet eine derartige Auffassung in der Strafprozeßordnung keine Stütze.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2566758

AGS 2007, 241

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