Leitsatz (amtlich)

1. Wenn ein Rechtsanwalt für den eigenen Mandanten (Beteiligten) Verfahrenskostenhilfe beantragt, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass damit - mindestens stillschweigend - zugleich die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten begehrt wird.

2. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist aufzuheben, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt nicht (mehr) zur Vertretung im Rahmen der gewährten Verfahrenskostenhilfe bereit ist.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 10 F 5592/22)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Mutter wird der am 24. März 2023 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Pankow - 10 F 5592/22 - abgeändert und die Beiordnung von Rechtsanwältin G. ersatzlos aufgehoben.

Gerichtsgebühren sind nicht zu erheben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Mutter wendet sich dagegen, dass das Familiengericht nicht nur Verfahrenskostenhilfe gewährt, sondern im Rahmen der gewährten Verfahrenskostenhilfe ihr auch ihre Verfahrensbevollmächtigte, Rechtsanwältin G., beigeordnet hat. Sie macht geltend, es sei zwar Verfahrenskostenhilfe, aber keine Anwaltsbeiordnung begehrt worden.

II. 1. Die sofortige Beschwerde hat offensichtlich Erfolg:

a) Die Mutter hat mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2022 (I/31) (nachträglich) beantragt, "für die Kindesmutter und Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen". Zwar wird man, wenn ein Anwalt für den eigenen Mandanten (Beteiligten) Verfahrenskostenhilfe beantragt, in aller Regel davon ausgehen können, dass damit - mindestens stillschweigend - zugleich die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten begehrt wird, zumal eine Beiordnung auch stillschweigend beantragt werden kann (vgl. nur Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe [9. Aufl. 2020], Rn. 637). Das gilt umso mehr, weil ein Rechtsanwalt regelmäßig für den Mandanten (Beteiligten) nicht kostenfrei wird arbeiten wollen und die - ebenfalls denkbare - Konstellation, dass der Beteiligte trotz Verfahrenskostenhilfebedürftigkeit bereit oder in der Lage ist, das reguläre (oder ein vereinbartes) Honorar des Rechtsanwalts zu bezahlen (beispielsweise, weil ihm von dritter Seite Geld vorgestreckt wurde), eher selten vorliegen wird. Daher wird im Allgemeinen davon ausgegangen werden können, dass der Rechtsanwalt, der für einen Beteiligten Verfahrenskostenhilfe beantragt, nicht nur wünscht, dem Beteiligten beigeordnet zu werden, sondern damit auch seine Bereitschaft zum Ausdruck bringt, zur Vertretung des Beteiligten bereit zu sein (§ 78 Abs. 1, 2 FamFG sowie Zimmermann, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe [6. Aufl. 2021], Rn. 322).

b) Indessen hat die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter mit ihrer Beschwerde vom 24. März 2023 eindeutig klargestellt, dass der erste, unbefangene Eindruck, der sich aufgrund ihrer Antragstellung vom 14. Oktober 2022 aufdrängt, unzutreffend ist und im Rahmen der begehrten Verfahrenskostenhilfe gerade keine Beiordnung begehrt wurde. Da dem Beteiligten nach dem Gesetz (§ 78 Abs. 2 FamFG) nur ein Rechtsanwalt beigeordnet werden kann, der auch zur Vertretung bereit ist (vgl. Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe [9. Aufl. 2020], Rn. 648; Zimmermann, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe [6. Aufl. 2021], Rn. 322), die Verfahrensbevollmächtigte mit der Beschwerde aber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, zur Vertretung im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe gerade nicht bereit zu sein, ist die Beiordnung von Rechtsanwältin G. zwingend aufzuheben. Damit hat es bei der (schlichten) Gewährung von Verfahrenskostenhilfe sein Bewenden; eine (zusätzliche) Anwaltsbeiordnung erfolgt nicht (§ 78 Abs. 2 FamFG).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO, KV FamGKG Nr. 1912; Kosten des Beschwerdeverfahrens sind danach weder zu erheben noch zu erstatten.

 

Fundstellen

AnwBl 2023, 623

NJ 2023, 317

FF 2023, 261

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