Leitsatz (amtlich)

Die Nichterhebung des Vorschusses vom Kläger nach einer Klageerweiterung befreit den Beklagten als Entscheidungsschuldner nicht von der Kostenhaftung.

 

Normenkette

GKG § 8 Abs. 1 S. 1, § 54 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 06.11.2002; Aktenzeichen 82 AR 122/02)

LG Berlin (Aktenzeichen 2 O 389/00)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die gem. § 5 Abs. 2 S. 1 GKG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Kostenbeamte hat die von dem Beteiligten zu 1) nicht beanstandete Höhe der Kostenforderung unter Berücksichtigung der durch den Kläger geleisteten Zahlungen nach dem mit Beschluss vom 9.8.2002 festgesetzten Wert von 13.082.082,34 DM (richtig, aber gebührenrechtlich unerheblich: 13.082.028,34 DM) zutreffend ermittelt.

Der Beteiligte zu 1) haftet auf Grund des Urteils des LG vom 9.8.2002 für die Gerichtskosten gem. § 54 Nr. 1 GKG als Entscheidungsschuldner. Die gerichtliche Entscheidung i.S.v. § 54 Nr. 1 GKG braucht weder rechtskräftig noch vollstreckbar zu sein; solange sie – wie hier – nicht im Rechtsmittelverfahren abgeändert worden ist, bleibt die Einlegung der Berufung unerheblich (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 54 GKG Rz. 3, 4). Die Inanspruchnahme des Beteiligten zu 1) ist nicht ermessensfehlerhaft, sondern entspricht dem Gesetz. Gemäß § 58 Abs. 2 S. 1 GKG soll zunächst die Haftung des Entscheidungsschuldners geltend gemacht werden, sobald ein solcher vorhanden ist. Demgemäß sieht auch § 8 Abs. 1 und 3 S. 2 Nr. 1 Kostenverfügung (KostVfg) vor, dass vorrangig der Entscheidungsschuldner in Anspruch zu nehmen ist.

Die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Kosten nach § 8 Abs. 1 S. 1 GKG liegen nicht vor.

Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Streitwertfestsetzung des LG vom 6.12.2000 unzutreffend war, denn eine unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 GKG liegt nach überwiegender und vom Senat geteilter Ansicht nur vor, wenn dem Gericht ein offen zu Tage tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist (vgl. BGH VersR 1994, 77 [78]; KG JurBüro, 1997, 654 [655]; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 8 GKG Rz. 8 ff. jew. m.w.N.), Das ist hier zu verneinen. Es ist nicht unvertretbar, § 19 Abs. 4 GKG dahin zu verstehen, dass bei einem Vergleich § 19 Abs. 1 S. 2 GKG für den Verfahrensstreitwert nur dann zur Anwendung kommt, wenn bereits zuvor die innerprozessuale Bedingung des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs – hier die Abweisung des Hauptantrags – eingetreten ist (so OLG Köln JurBüro 1996, 476; Markl/Meyer, GKG, 5. Aufl., § 19 Rz. 17; a.A.: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rz. 2483; Anders/Gehle/Kunze, Streitwertlexikon, 4. Aufl., „Vergleich” Rz. 17 f.; unklar Hartmann, KostenG, 32. Aufl., § 19 Rz. 50).

Die in Rede stehende Sachbehandlung war auch nicht ursächlich für den beanstandeten Kostenansatz. Die dem Beklagten in Rechnung gestellten Gerichtskosten wären vielmehr auch dann entstanden, wenn der Wert des Streitgegenstands bereits mit Beschluss vom 6.12.2000 auf 13.082.028,34 DM festgesetzt worden wäre. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt in den Fällen, in denen die kostenauslösende Maßnahme bei richtiger Sachbehandlung unterblieben wäre (vgl. den der Entscheidung des LG Koblenz v. 8.4.1999 – 6 T 16/99, MDR 1999, 1024 = MDR 1999, 1024 zu Grunde liegenden Fall, dass der Antrag auf öffentliche Zustellung nach einer Vorschussanforderung zurückgenommen worden wäre).

Es kann dahinstehen, ob eine Ursächlichkeit i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 GKG auch dann anzunehmen ist, wenn die Kosten bei richtiger Sachbehandlung zwar entstanden wären, aber gerade der in Anspruch genommene Kostenschuldner dann nicht gehaftet hätte (vgl. OLG Frankfurt, RPfleger 1979, 152; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 8 GKG Rz. 41). Das kann nämlich allenfalls gelten, wenn die Kostenschuld des in Anspruch Genommenen allein auf der Antragstellerhaftung nach § 49 GKG beruht (vgl. OLG Frankfurt, RPfleger 1979, 152). In einem solchen Fall mag es gerechtfertigt sein, den gem. §§ 49, 58 Abs. 2 S. 1 GKG nur nachrangig haftenden Zweitschuldner aus Gründen der materiellen Kostengerechtigkeit von der Kostenschuld zu befreien. In dem hier gegebenen umgekehrten Fall kommt eine Kostenniederschlagung hingegen nicht in Betracht, da der Beteiligte zu 1) nach der gerichtlichen Entscheidung die Kosten gerade – vorrangig – tragen soll. Die daneben bestehende Zweitschuldnerhaftung des Klägers dient allein dem Interesse der Staatskasse und nicht einer Entlastung des Entscheidungsschuldners. Im Übrigen müsste der Beteiligte zu 1) die Gerichtskosten i.E. auch dann tragen, wenn der Kläger diese auf Grund einer höheren Streitwertfestsetzung bereits bezahlt hätte; der Kläger hätte in diesem Fall eine (höhere) Erstattungsforderung gegen den Beteiligten zu 1). Der Umstand, dass der Kläger aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6.9.2002 die Zwangsvollstreckung zurzeit nicht betreibt, kann dem Beteiligten zu 1)...

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