A. Rechtsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit und Vertretung

I. Natürliche Personen

1. Rechtsfähigkeit

 

Rz. 1

Rechtsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit sind im Grundbuchverfahren vor allem für die materiell-rechtliche Einigung beachtlich, deren zivilrechtliche Wirksamkeit gemäß § 20 GBO durch das Grundbuchamt zu beurteilen ist, aber auch für die rein verfahrensrechtlichen Erklärungen (Antrag gemäß § 13 GBO und Eintragungsbewilligung gemäß § 19 GBO).[1] Die materiell-zivilrechtliche Rechtsfähigkeit, also die allgemeine Fähigkeit einer natürlichen Person, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, bestimmt sich international-privatrechtlich nach dem Recht des Staates, dem die Person angehört, Art. 7 Abs. 1 S. 1 EGBGB (neu gefasst durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4. Mai 2021)[2] (zur Anknüpfung samt Verkehrsschutz nach Art. 13 Rom I-VO siehe im Einzelnen Rdn 3 ff.). Die einmal erlangte Rechtsfähigkeit wird durch Erwerb oder Verlust einer Staatsangehörigkeit nicht beeinträchtigt, Art. 7 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Diesem Statut unterfallen vor allem der Beginn und das Ende der Rechtsfähigkeit.[3] Nach inländischem Bürgerlichen Recht beginnt die Rechtsfähigkeit der Person mit der Vollendung der Geburt als Lebendgeburt (§ 1 BGB). Andere Rechtsordnungen, zu denen die Verweisung in Art. 7 Abs. 1 S. 1 EGBGB führen kann, beurteilen das ggf. anders. Für Todeserklärungen sowie Lebens- und Todesvermutungen kommt es nach dem insoweit maßgebenden Art. 9 EGBGB ebenfalls grundsätzlich auf die Staatsangehörigkeit an. Besondere Rechtsfähigkeiten richten sich nach ihrem eigenen Statut, so die Erbfähigkeit und die erbrechtliche Stellung des Nasciturus nach dem Erbstatut,[4] die (besondere) Fähigkeit zum Erwerb von Grundstücken in einem fremden Staat nach dem jeweiligen Wirkungsstatut (Recht des Staates, in dem die zu beurteilende Rechtshandlung ihre Rechtswirkung entfaltet).[5] Obwohl sich die einzelnen Rechtsordnungen insbesondere beim Beginn der Rechtsfähigkeit[6] unterscheiden, spielen Fragen der Rechtsfähigkeit einer natürlichen Person in der notariellen Praxis und der Praxis der Grundbuchämter eine wohl kaum nennenswerte Rolle.[7]

[1] Meikel/Hertel, Einl. G Rn 1.
[2] Siehe Dürbeck, FamRZ 2020, 1789 ff.; Siegel/Kraus, DNotZ 2022, 906 ff.; Wagner, FamRZ 2022, 405 ff.
[3] MüKo-BGB/Lipp, Art. 7 Rn 16 ff., 19 f.
[4] Erman/Hohloch, BGB, Art. 7 Rn 7; Soergel/Kegel, BGB, Art. 7 Rn 4.
[5] Grüneberg/Thorn, BGB, Art. 7 Rn 2.
[6] Zum Beispiel § 1 BGB: Vollendung der Geburt; Art. 30 span. Código Civil (CC): das Kind muss mindestens 24 Stunden lang nach der Geburt gelebt haben.
[7] Vgl. auch Schotten/Schmellenkamp, IPR, Rn 56.

2. Geschäftsfähigkeit

a) Allgemeines

 

Rz. 2

Die materiell-zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit ist für das Grundbuchamt ebenfalls bei der Prüfung der Wirksamkeit der Einigung im Rahmen des § 20 GBO sowie die der Eintragungsbewilligung gemäß § 19 GBO bedeutsam.[8] Nach dem inländischen Internationalen Privatrecht (IPR) unterfällt bei der Verfügung über Grundstücke mit Auslandsberührung die Frage nach der Geschäftsfähigkeit der beteiligten Personen nicht dem Statut dieses Rechtsgeschäfts. Es liegt vielmehr eine gesondert anzuknüpfende Teilfrage vor, für die gem. Art. 7 Abs. 2 S. 1 EGBGB in der Neufassung durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 04.Mai 2021 grundsätzlich auf das Recht des Staates abzustellen ist, in dem die betreffende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.[9] Dies gilt auch, soweit die Geschäftsfähigkeit durch Eheschließung erweitert wird, Art. 7 Abs. 2 S. 2 EGBGB. Die einmal erlangte Geschäftsfähigkeit wird durch einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts nicht beeinträchtigt. Insoweit liegt eine beachtliche Rechtsänderung im Hinblick auf die Rechtslage vor dem 1.1.2023 vor, denn nach altem Recht vor der Novellierung des Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungsrechts wurde die Geschäftsfähigkeit wie die Rechtsfähigkeit über die Staatsangehörigkeit des Betroffenen angeknüpft. Nach neuem Recht werden Rechtsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit unterschiedlich angeknüpft (vgl. Art. 7 Abs. 1 S. 1 und Art. 7 Abs. 2 S. 1 EGBGB). Eine Rechtswahl ist in diesem Bereich nicht zulässig; die Bestimmungen des Art. 7 EGBGB stellen zwingendes Recht dar.

[8] Meikel/Hertel, Einl. G Rn 1.
[9] Siehe Dürbeck, FamRZ 2020, 1789 ff.; Siegel/Kraus, DNotZ 2022, 906 ff.; Wagner, FamRZ 2022, 405 ff.

b) Anknüpfung

aa) Anknüpfungspunkt

 

Rz. 3

Als Anknüpfungspunkt für die Geschäftsfähigkeit schreibt Art. 7 Abs. 1 S. 1 EGBGB nunmehr den gewöhnlichen Aufenthalt der Person vor. Damit rückt das Gesetz von der bisherigen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ab, die insbesondere bei Mehrstaatlern, Geflüchteten und Vertriebenen zu rechtlichen Problemen führen konnte. Der Gesetzgeber ist hiermit einem (auch internationalen und europäischen) Trend gefolgt, die Anknüpfung an das Heimatrecht (Staatsangehörigkeit) durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt zu ersetzen.[10] Hierbei soll der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes autonom nach nationalem Recht ausgelegt werden.[11]

 

Rz. 4

Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ist auch vorzunehmen, soweit...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge