Normenkette

§ 4 WEG, § 23 Abs. 4 WEG, § 140 BGB

 

Kommentar

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden:

1. Sondereigentum an einer Garage kann nicht nachträglich im Wege der Umwandlung von Gemeinschaftseigentum durch unangefochtenen Mehrheitsbeschluss begründet werden.

2. Der - als solcher nichtige - Mehrheitsbeschluss kann auch nicht im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion als auf die Begründung eines Sondernutzungsrechtes an dem vorgesehenen Garagenneubau gerichtet umgedeutet werden.

3. Auf einer Wohnungseigentümerversammlung wurde mehrheitlich beschlossen, dass ein Wohnungseigentümer einen Garagenneubau auf seine Kosten errichten dürfe und dass dieser Gebäudeteil dem Sondereigentum zugeschrieben werde. Als der betreffende Eigentümer mit der Verwirklichung des Bauvorhabens beginnen wollte, rief einer der seinerzeit den Beschluss ablehnenden Wohnungseigentümer das Gericht mit dem Ziel an, das Bauvorhaben zu verhindern.

4. Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung ist nichtig.

Nach § 4 Abs. 1 WEG ist zur Einräumung von Sondereigentum an Bestandteilen, die eine Inhaltsänderung des Miteigentums enthält, die Einigung aller Beteiligten und die Eintragung im Grundbuch erforderlich. § 4 Abs. 1 WEG und die Formvorschriften des Abs. 2 gelten nicht nur für die Einräumung von Sondereigentum, sondern auch für die nachträgliche Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum. Ein unter Verstoß gegen diese zwingenden Bestimmungen gefasster Mehrheitsbeschluss, der zugleich in den dinglichen Kernbereich des Wohnungs- und Gemeinschaftseigentums eingreift, ist nichtig. Der - als solcher nichtige - Mehrheitsbeschluss kann auch nicht im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion als auf die Begründung zumindest eines Sondernutzungsrechtes an dem vorgesehenen Garagenneubau umgedeutet werden ( § 140 BGB). Ob die Umdeutung eines Mehrheitsbeschlusses überhaupt in Betracht gezogen und hierfür auf den mutmaßlichen Willen der Mehrheit oder aller Stimmberechtigten abgestellt werden kann, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls setzt die Umdeutung voraus, dass beim Abschluss eines nichtigen Rechtsgeschäftes zugleich sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen eines - anderen - Ersatzgeschäftes erfüllt waren.

Ein Sondernutzungsrecht und/oder eine bauliche Veränderung können jedoch nach dem WEG nicht mehrheitlich beschlossen werden. Ob die für die Einräumung eines Sondernutzungsrechtes am Gemeinschaftseigentum an sich notwendige Vereinbarung durch einen nicht angefochtenen, bestandskräftigen Mehrheitsbeschluss ersetzt werden könne, kann letztlich unentschieden bleiben. Ein Beschluss mit diesem beschränkten Inhalt hätte spätestens auf Anfechtung nach § 23 Abs. 4 WEG für ungültig erklärt werden müssen.

Ein als solcher nichtiger Mehrheitsbeschluss kann nicht deshalb mit Bindungswirkung ausgestattet werden, weil ein im Wege der Umdeutung ermittelbarer, jedoch gleichfalls mangelhafter Ersatzbeschluss in der Folgezeit nicht angefochten worden ist. Eine solche Folge der Umdeutung würde, weil ein nichtiger Beschluss keiner Anfechtung bedurfte, ein etwaiger Ersatzbeschluss aber nicht verlautbart worden ist, die überstimmte Minderheit unangemessen benachteiligen. Wäre auch ein Ersatzbeschluss anfechtbar, muss deshalb die Möglichkeit einer Umdeutung des nichtigen Mehrheitsbeschlusses ausscheiden.

5. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswert von 5.000 DM.

 

Link zur Entscheidung

( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.07.1995, 3 Wx 181/95)

Zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung

Anmerkung:

Die Entscheidung entspricht der herrschenden Rechtsauffassung (BayObLG, WM 1994, 97; Henkes/Niedenführ/Schulze, § 10, Rz. 30a).

Zur Einräumung eines Sondernutzungsrechtes durch bestandskräftigen Mehrheitsbeschluss vgl. bejahend: BayObLG, NJW-RR 1993, 85 f.; ablehnend OLG Karlsruhe, WE 1991, 110 f.; OLG Köln, NJW-RR 1992, 595f.

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