Leitsatz

Ereignet sich auf dem Weg zur Arbeitsstätte ein Verkehrsunfall, fällt dieser als Wegeunfall grundsätzlich unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die den Unfall betreffenden Regulierungsgespräche sind demgegenüber nicht versichert.

 

Sachverhalt

Ein Assistenzarzt war auf einer dreispurig ausgebauten Autobahn zu seiner Arbeitsstätte unterwegs. Im Rahmen eines Überholmanövers kollidierte er mit einem anderen Fahrzeug in der Weise, dass sein Fahrzeug auf dem Ausfallstreifen zu einer Tank- und Rastanlage zum Stehen kam, während das andere beteiligte Unfallfahrzeug auf dem rechten Fahrstreifen liegen blieb und in den mittleren Fahrstreifen hineinragte. Der Assistenzarzt überzeugte sich zunächst davon, dass der andere Unfallbeteiligte nicht verletzt war und vereinbarte mit diesem, dass er zur Tankstelle gehen und die Polizei verständigen solle. Als der Assistenzarzt sich auf dem Weg zur Tankstelle befand, kam ein sich nähernder Lieferwagen durch das auf dem Fahrstreifen stehende Unfallfahrzeug ins Schleudern, erfasste den Assistenzarzt und verletzte diesen tödlich. Im Hinblick auf das zunächst gewährte Sterbegeld sowie weiteren Leistungen für die Hinterbliebenen streiten die Beteiligten darüber, ob es sich bei dem 2. Unfall noch um einen vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfassten Wegeunfall handelte. 

Das zweitinstanzlich mit der Sache befasste LSG prüfte zunächst, ob ein Arbeitsunfall i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII vorlag. Versicherungsschutz besteht laut LSG nur, wenn die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der Versichertentätigkeit zuzurechnen ist. Hierzu zähle auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges von und nach der ständigen Familienwohnung. Der Arbeitsweg stelle sich damit als unmittelbare Vor- oder Nachbereitungshandlung der versicherten Tätigkeit dar. Entscheidend für die Beurteilung sei die auf die versicherte Tätigkeit gerichtete Handlungstendenz, die anhand der gesamten objektiven Umstände zu prüfen sei.

Grundsätzlich qualifizierte das LSG die Fahrt des Assistenzarztes zu seinem Arbeitsort als versicherte Tätigkeit. Diese endete nach Auffassung des LSG jedoch in dem Moment, als der Assistenzarzt nach der 1. Kollision sein Fahrzeug verließ, um Regulierungsgespräche mit dem anderen Unfallbeteiligten zu führen bzw. um die Polizei zu verständigen. Hierdurch sei der Weg zur Arbeit mehr als geringfügig unterbrochen worden. Der zunächst gegebene Versicherungsschutz sei "mangels versicherter Fortbewegung entfallen". Ähnlich habe das BSG bereits in einem vergleichbar gelagerten Fall im Jahre 2009 entschieden (BSG, Urteil v. 17.2.2009 B 2 U 26/07R).

Das LSG betonte ferner, dass zum Zeitpunkt des 2. Unfallereignisses der Assistenzarzt sich nicht mehr auf dem Weg in Zielrichtung seiner Arbeitsstätte befunden habe. Vielmehr sei sein Verhalten von einer anderen Handlungstendenz, nämlich dem Willen zur Kontaktaufnahme mit dem anderen Unfallbeteiligten bzw. der Einschaltung der Polizei gekennzeichnet gewesen. Damit habe ein innerer Zusammenhang mit der Beschäftigung nicht mehr bestanden. Bei natürlicher Betrachtungsweise sei auch der zeitliche und räumliche Zusammenhang mit dem Arbeitsweg entfallen.

 

Link zur Entscheidung

LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.5.2013, L 9 U 2788/11.

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