Leitsatz

Auch wenn die Wärmedämmung einer Fassade in geringem Umfang die Vorgaben der EnEV 2009 unterschreitet, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, die Fassade nur teilweise zu dämmen, wenn durch die Dämmung die vorhandenen Feuchtigkeitsschäden behoben werden.

 

Normenkette

§ 22 Abs. 3 WEG; § 9 Abs. 1, Abs. 3 EnEV

 

Das Problem

  1. Im Juni 2011 beschließen Wohnungseigentümer zunächst, an der gesamten Balkonfensterfront (Südseite) des Gebäudes ein Wärmedämmverbund­system anbringen zu lassen.
  2. In einer weiteren Versammlung im Oktober 2011 wird dieser Beschluss geändert. Die Fassadenflächen sollen jetzt betonsaniert werden und einen Instandhaltungsanstrich erhalten. Auf die Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems wird hingegen verzichtet. Es soll lediglich der Hausversatz mit einem Wärmedämmverbundsystem "nach aktueller EnEV" (gemeint ist die EnEV 2009) ausgestattet werden. Ferner soll eine Wand teilgedämmt werden.
  3. Ein Wohnungseigentümer hält dieses Vorgehen nicht für richtig. Er will daher die anderen Wohnungseigentümer vom Gericht verpflichten lassen, ein vollständiges Wärmeverbundsystem herzustellen. Er behauptet, der Beschluss vom Juni 2011 sei zur Verbesserung der Wärmedämmung und der Vermeidung von Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilzschäden in den Wohnungen erfolgt. Die nunmehr beschlossene Teildämmung nur des Hausversatzes entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, da nur ein vollständiges Wärmdämmverbundsystem die Feuchtigkeitsschäden in den Wohnungen beseitige.
  4. Die beklagten Wohnungseigentümer halten dem entgegen, die Anbringung eines vollständigen Wärmedämmverbundsystems sei nicht notwendig, insbesondere nicht zur Behebung von Baumängeln. Sie sind der Ansicht, der klagende Wohnungseigentümer hätte auch keinen Anspruch auf Gesamtdämmung der Fassade, weil es sich insoweit um eine Modernisierungsmaßnahme handle, auf die gemäß § 22 Abs. 3 WEG kein individueller Anspruch bestehe.
 

Entscheidung

  1. Die Klage hat keinen Erfolg. Die Aufbringung einer partiellen Wärmedämmung sei nach der aktuellen EnEV ausreichend, um den geltenden Mindestwärmeschutz zu erreichen, ohne dass hierdurch Nachteile für die angrenzenden Wohnungen entstehen. Dies habe der gerichtlich beauftragte Sachverständige plausibel und nachvollziehbar in seinem Gutachten ausgeführt.
  2. Diesen Ausführungen schließe sich das Gericht an. Insbesondere habe der Sachverständige durch Bauteilöffnungen den tatsächlichen Wärmeschutz überprüft und mit den nunmehr zu beachtenden Vorschriften der EnEV 2009 verglichen. Der Sachverständige habe ferner nachvollziehbar erklärt, dass auch bei der geplanten Teildämmung, die Wandinnenoberflächentemperaturen deutlich erhöht und Wärmebrücken verringert würden, sodass sogar die Innenflächentemperaturen der angrenzenden Wohnungen geringfügig erhöht werden. Dagegen habe der Sachverständige nicht feststellen können, dass zur Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden eine Gesamtdämmung erforderlich sei.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Wird die Fassade instand gesetzt, sind die Vorgaben der EnEV zu beachten. Nach deren § 9 Abs. 1 sind Änderungen im Sinne ihrer Anlage 3 Nr. 1 bis 6 bei beheizten oder gekühlten Räumen von Gebäuden so auszuführen, dass die in der Anlage 3 festgelegten Wärmedurchgangskoeffizienten der betroffenen Außenbauteile nicht überschritten werden. Etwas anderes gilt, wenn die Fläche der geänderten Bauteile nicht mehr als 10 % der gesamten jeweiligen Bauteilfläche des Gebäudes betrifft.
  2. Nach § 25 EnEV können die nach Landesrecht zuständigen Behörden auf Antrag von den Anforderungen der EnEV befreien, soweit die Anforderungen im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen. Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer, bei Anforderungen an bestehende Gebäude innerhalb angemessener Frist durch die eintretenden Einsparungen nicht erwirtschaftet werden können. Für die Klärung dieser Frage bedarf es einer Kosten-Nutzen-Analyse.
  3. Werden die Vorgaben der EnEV nicht beachtet, machen sich die Wohnungseigentümer, aber auch der Verwalter bußgeldpflichtig.

Was ist für Verwalter wichtig?

  1. Der Verwalter sollte den Wohnungseigentümern in vergleichbaren Fällen raten, auf Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Sachverständigen mit der Klärung zu beauftragen, welche Maßnahmen erforderlich sind und welche Vorgaben die jeweils anwendbare EnEV macht. Es ist anzustreben, dass nicht der Verwalter, sondern die Wohnungseigentümer diesen Sachverständigen (nach Einholung von Angeboten durch den Verwalter) auswählen. Ferner sollte dem Sachverständigen eine Kostenobergrenze genannt werden und es sollte geklärt werden, wie die Kosten finanziert werden (Entnahme aus der Instandhaltungsrückstellung? Sonderumlage?).
  2. Der Verwalter kann im Vorfeld nicht von sich aus einen Sachverständigen beauftragen. Tut er es doch, sollte er sich nachträglich von den Wohnungseigentümern den Vertragsschluss gen...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge