Rz. 52

Gesellschaften, die nach dem Recht anderer EU/EWR-Mitgliedstaaten wirksam gegründet wurden, sind in jedem anderen Staat der EU uneingeschränkt anzuerkennen.[1] Damit stellt sich das Problem, inwieweit solche ausländischen Rechtsträger Teil eines Umwandlungsprozesses im Inland sein können, an dessen Ende eine deutsche GmbH steht. Das deutsche UmwG ermöglichte ursprünglich nur die Umwandlung deutscher Rechtsträger und wegen des im Umwandlungsrecht herrschenden "Analogieverbots" war eine entsprechende Anwendung auf ausländische Rechtsträger nicht möglich. Dem widersprach der EuGH in seinem "SEVIC"-Urteil[2] und entschied, es sei mit der Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar, dass ein Mitgliedstaat, der Verschmelzungen zulasse, dies nur für Rechtsträger seiner eigenen Rechtsform gestatte. Der deutsche Gesetzgeber hat darauf reagiert und mit §§ 122a ff. UmwG die grenzüberschreitende Verschmelzung ermöglicht.[3] Problematisch ist allerdings die Beschränkung dieser Öffnungsbestimmungen auf Fälle der Verschmelzung. Gesetzlich nicht geregelt sind damit die praktisch relevanten Fälle[4] des grenzüberschreitenden Formwechsels durch Sitzverlegung. Vereinzelte Rechtsprechung, die hierzu erging, verneinte auch nach der "SEVIC"-Entscheidung die Möglichkeit eines solchen grenzüberschreitenden Formwechsels.[5] Dem hat jedoch abermals der EuGH in seiner "VALE"-Entscheidung[6] widersprochen: Ermöglichen die Vorschriften eines Mitgliedsstaates den Formwechsel unter Rechtsnachfolgerschaft von Trägern nationaler Rechtsform, widerspreche es dem europarechtlichen Effektivitäts- und vor allem Äquivalenzgebot, einen solchen Formwechsel nicht auch für gleichgelagerte Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug zuzulassen. Die Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels bestätigte der EuGH nochmals in der "Polbud"-Entscheidung.[7]

 

Passive deutsche Gesetzgebung

Auch wenn der deutsche Gesetzgeber bislang nicht reagiert hat, gilt die Rechtslage bei grenzüberschreitenden Formwechseln aufgrund der EuGH-Rechtsprechung damit weitestgehend als geklärt.[8] Auf Basis der EuGH-Rechtsprechung kann daher auch einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines EU- oder EWR-Staates gegründet wurde, der identitätswahrende Wechsel in eine deutsche Rechtsform nicht verboten werden, wenn die Gesellschaft zugleich ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt.

[1] Dies gilt seit den Entscheidungen "Centros", EuGH v. 9.3.1999, C-212/97 = NZG 1999 S. 298 und "Überseering", EuGH v. 5.11.2002, C-208/00 = BB 2002 S. 2402, in welchen sich der EuGH zur "Gründungstheorie" als Ausprägung der Niederlassungsfreiheit bekannte.
[3] Wenn auch nicht in direkter Reaktion auf das Urteil, sondern in Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie.
[4] Zwar ist auch denkbar anstatt eines Formwechsels eine Neugründung mit anschließender Verschmelzung durchzuführen, diese Alternative kann aber gerade aus steuerlicher Perspektive gegenüber einem Formwechsel unattraktiver sein, vgl. Schönhaus/Müller, IStR 2013, S. 174; Ege/Klett, DStR 2012, S. 2442, 2445 f.
[8] Decker, in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, UmwG § 1 Rn. 14.

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