Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 4302. obstruktive Atemwegserkrankung. Krankheitsbild im Vollbeweis. Flugbegleiterin

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen des Vorliegens einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der Nr 4302 der Anlage 1 zur BKV nach aktuellem wissenschaftlichem Erkenntnisstand.

 

Orientierungssatz

Der Begriff "obstruktive Atemwegserkrankung" ist ein Sammelbegriff für verschiedene akute und chronische Krankheiten des bronchopulmonalen Systems, die mit obstruktiven Ventilationsstörungen einhergehen. Unter den Begriff der obstruktiven Atemwegserkrankungen im Sinne der BK Nr 4302 fallen ein Asthma bronchiale, ein Reaktives Airways Dsyfunction Syndrome (RADS), eine chronisch obstruktive Bronchitis oder ein Lungenemphysem. Obstruktive Atemwegserkrankungen der oberen Luftwege im Sinne einer Rhinopathie werden von der BK Nr 4302 nicht erfasst. Die unspezifische bronchiale Hyperreaktivität ist in diesem Zusammenhang kein selbständiges Krankheitsbild, sondern ein phasenweiser ggf saisonal wechselnder Befund der obstruktiven Atemwegserkrankung und Ausdruck der gesteigerten Bereitschaft der unteren Atemwege, mit Obstruktion zu reagieren.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2015 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung ihrer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach BK Nr. 4302 (durch chemisch irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) hat.

Mit Schreiben vom 22. April 2009 zeigte die 1962 geborene Klägerin der Beklagten an, dass sie während ihrer beruflichen, bei der Beklagten in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Tätigkeit bei der C. am 19. Januar 2008 auf dem Rückflug von Dallas nach C-Stadt erhebliche Atemnot, Herzrasen, ein Kribbeln in den Beinen, eine Nasenschleimhautschwellung über mehrere Wochen ohne Erkältung und Kopfhautjucken verspürt und sich körperlich extrem schlecht gefühlt habe. Diese Beschwerden hätten sich im letzten Jahr wiederholt. Ferner leide sie an laufenden Nasennebenhöhlenentzündungen, Schmerzen im Halswirbelbereich, Augenreizungen, Herpes, extremen Kopfschmerzen nach Flügen, teilweise Wortfindungsstörungen, Reizdarm, Erschöpfungssymptomen, Schmerzen im Gesicht, ständigem Harndrang, Gliederschmerzen, an Problemen, Hände und Arme zu bewegen sowie an Rückenproblemen. Sie habe den Verdacht auf eine Erkrankung durch organische Phosphatverbindungen, ausgelöst durch Trikresylphosphat (TCP), Ozon und Pestizide in der Kabinenluft. Im Folgenden legte die Klägerin der Beklagten zahlreiche Laborbefunde vor.

Die Klägerin war in der Zeit von 1982 bis 1997 überwiegend als Sekretärin und im Büro beschäftigt (Angaben im Fragebogen der Beklagten vom 13. Mai 2009). Ausweislich der Stellungnahme des Geschäftsbereichs Prävention der Beklagten vom 16. April 2010 war sie ab Juni 1998 Flugbegleiterin bzw. Purser bei der C., Standort C-Stadt. Eigenen Angaben zufolge flog sie Lang-, Mittel- und Kurzstrecke. Sie flog mit dem D. xx1, xx2, xx3, xx4, xx5 und der E. xx6 und xx7. Langstrecken absolvierte sie überwiegend mit dem D. xx4, xx5-xx8 und der E. xx9-xx10. Nach einer Vollzeittätigkeit von 1998 bis 2004 reduzierte sie ihre Arbeitszeit ab 2005 auf 91,67% und ab 2007 auf 72,05%. Seit Januar 2008 war sie arbeitsunfähig erkrankt und seit 2009 fluguntauglich. Ausweislich der Stellungnahme des Geschäftsbereichs Prävention vom 16. April 2010 gab die Klägerin bei der Befragung an, dass ab Januar 2003 bei den Flügen besondere Geruchswahrnehmungen aufgetreten seien, die weder von Flugzeugtypen noch bestimmten Ereignissen abhängig gewesen seien. Auf dem Flug am 19. Januar 2008 habe es keinen nennenswerten Vorfall (Incident) gegeben.

Die Beklagte forderte Befundberichte bei den behandelnden Ärzten, Vorerkrankungsverzeichnisse sowie die Akten des Rentenversicherungsträgers an. Der Internist und Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. F. teilte der Beklagten mit Befundbericht vom 4. Juni 2009 mit, dass bei der Klägerin normale statische und dynamische Lungenvolumina und keine Störung der Atemmechanik vorliege. Nach einem Provokationstest diagnostizierte er ein hyperreagibles Bronchialsystem bzw. Bronchialasthma (ICD-10 J45.9). Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Umweltmedizin Dr. G. führte im Befundbericht vom 18. Dezember 2009 aus, dass die Klägerin an einer stark ausgeprägten Umwelt assoziierten Erkrankung mit der Ausprägungsform eines chronischen Erschöpfungssyndroms, einer stark ausgeprägten Schleimhautschädigung besonders der Atemwege und des Verdauungstraktes durch Exposition gegenüber allergenen und schleimhautschädigenden/schleimhautirritier...

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