nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung. ICSI/IVF-Behandlung. Erstattungsanspruch. Altersgrenze. Allgemeiner Gleichheitssatz

 

Leitsatz (redaktionell)

Aus Art. 6 Abs. 1 GG kann kein Anspruch dahingehend abgeleitet werden, dass der Staat die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen hat, die erforderlich sind, um außerhalb des natürlichen Zeugungsvorgangs Kinder bekommen zu können.

 

Normenkette

SGB V § 13 Abs. 3, § 27a Abs. 3 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Darmstadt (Gerichtsbescheid vom 29.04.2005; Aktenzeichen S 10 KR 449/04)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.03.2007; Aktenzeichen B 12 R 15/06 R)

BSG (Beschluss vom 02.11.2006; Aktenzeichen B 1 KR 111/06 B)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. April 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung.

Der 1959 geborene Kläger zu 1) und die 1963 geborene Klägerin zu 2) sind verheiratet und beide bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Sie haben ein gemeinsames Kind. Der Wunsch, ein zweites Kind zu bekommen, erfüllte sich bisher nicht, offenbar aufgrund einer bei dem Kläger vorliegenden mittelgradigen Zeugungsunfähigkeit. Eine im November/Dezember 2003 durchgeführte, von der Beklagten getragene künstliche Befruchtung nach der ICSI-Methode blieb erfolglos.

Mit Schreiben vom 11. März 2004 beantragten die Kläger die Übernahme der Kosten für eine weitere ICSI-Behandlung und wiesen darauf hin, dass der behandelnde Arzt Dr. H. die Erfolgsaussichten aufgrund der Ergebnisse des ersten Versuchs als sehr gut einschätze. Mit Bescheid vom 23. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2004 lehnte die Beklagte die Übernahme der Behandlungskosten ab. Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung sei seit dem 1. Januar 2004 bestimmt, dass kein Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung bestehe für weibliche Versicherte, die das 40. Lebensjahr vollendet hätten (§ 27a Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes BuchSGB V –).

Die Kläger haben am 16. August 2004 Klage zum Sozialgericht in Darmstadt erhoben. Sie haben geltend gemacht, die gesetzliche Altersgrenze, bis zu der Maßnahmen der künstlichen Befruchtung von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst würden, sei verfassungswidrig, weshalb die Beklagte die anfallenden Kosten der Behandlung im IVF Zentrum YV. übernehmen müsse.

Mit Gerichtsbescheid vom 29. April 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei als gemeinsame Klage beider Eheleute zulässig, weil beide bei der Beklagten versichert seien und damit Anspruch auf die jeweils auf sie entfallenden Kosten der begehrten Leistung hätten. Den Klägern stehe jedoch kein Anspruch auf Kostenübernahme für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zu. Nach § 27a Abs. 1 SGB V i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (GKV-Modernisierungsgesetz), der mit Wirkung zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten sei, seien die gesetzlichen Krankenkassen zwar verpflichtet, medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft zu übernehmen, jedoch nur, wenn nach ärztlicher Feststellung eine hinreichende Aussicht bestehe, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt werde. Der Anspruch bestehe nicht für weibliche Versicherte, die das 40. Lebensjahr vollendet hätten (Abs. 3 S. 1), was bei der Klägerin zu 2) der Fall sei. Die Kläger könnten sich auch nicht darauf berufen, dass die erste Behandlung im November/Dezember 2003 von der Beklagten bewilligt worden sei, da diese Maßnahme durch die Spermainjektion in die Eizelle abgeschlossen gewesen sei (Hinweis auf die Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in der Fassung vom 20. Februar 2002, Bundesanzeiger 2002, S. 10941). Die neue Maßnahme sei daher als eigenständige Leistung anzusehen, die unter Zugrundelegung der nunmehr geltenden Gesetzeslage zu beurteilen sei. Eine Übergangsregelung habe der Gesetzgeber nicht geschaffen. Sie sei auch aus verfassungsrechtlichen Gründen heraus nicht geboten gewesen. Denn aus der Begründung des Gesetzesentwurfs werde deutlich, dass die Neuregelung des § 27a SGB V gezielt zur Begrenzung der Ausgaben für künstliche Befruchtung auf Fälle medizinischer Notwendigkeit geschaffen worden sei und die neue Eingrenzung des Leistungsanspruchs bei Frauen auf diejenigen, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, dem Gesichtspunkt Rechnung trage, dass bereits jenseits des 30. Lebensjahres das natürliche Konzeptionsoptimum überschritten und die Konzeptionswahrscheinlichkeit nach dem 40. Lebensjahr sehr gering sei und dies auch einer starken Gewichtung des künftigen Wohls des erhofften Kindes diene (Hinweis auf die Begründung des Entwurfs des GKV-Modernisierungsgesetzes...

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