Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.08.1995; Aktenzeichen S-28/Ka-3909/94)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.03.1998; Aktenzeichen B 6 KA 69/97 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. August 1995 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme rechtswidriger aber bestandskräftiger Honorarbescheide der Quartale IV/87 bis III/93 sowie I/94 und die Auszahlung von rund 511.000,– DM streitig.

Der Kläger ist als Internist und Nuklearmediziner in niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte nahm in den streitigen Quartalen eine Kürzung des Honorars des Klägers wegen übermäßiger Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit vor. Der Berechnung der Honorarkürzung legte die Beklagte ein RVO-Durchschnittshonorar des aktuellen Quartals als Grenzwert zugrunde. Dieser Grenzwert wurde erst nach Abschluß des Quartals bestimmt. Alle streitigen Honorarbescheide wurden vom Kläger nicht angefochten. Das Bundessozialgericht stellte mit Urteil vom 26. Januar 1994 (Az.: 6 RKa 33/91) fest, dass der Grenzwert bereits vor Beginn des jeweiligen Quartals bestimmt sein müsse.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 24. Oktober 1994 die Auszahlung der in den Quartalen IV/87 bis III/93 und I/94 einbehaltenen Honorarteile.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 28. Oktober 1994 ab. Dazu führte sie aus, der Antrag des Klägers unterfalle nicht der Regelung des § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – 10. Buch – (SGB X). Diese Regelung sei nur auf Sozialleistungen anwendbar. Die Honorare der Vertragsärzte seien dagegen keine Sozialleistungen. Auch teile sie die Auffassung des Sozialgerichts Kiel in seinem Urteil vom 13. Juli 1994 (Az.: S-8 a/Ka-37/93), wonach sich die Regelung des § 44 Abs. 2 SGB X ebenfalls auf Sozialleistungen beziehe und damit keine Anwendung finden könne. Gleichwohl habe sie die Frage geprüft, ob nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Rückabwicklung der bestandskräftigen Honorarbescheide möglich sei.

Dies komme in Betracht, wenn Billigkeitsgesichtspunkte dies für zwingend notwendig erscheinen liessen. Dies scheide vorliegend aus. Zum einen sei ein unverhältnismäßig großer Verwaltungsaufwand zu erwarten, wenn aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung alle bestandskräftigen Honorarbescheide ab IV/87 nochmals abgewickelt werden würden. Es würde auch zu einer finanziellen Belastung führen, die nicht gerechtfertigt sei. Der damit verbundene Punktwertverfall würde auch diejenigen Ärzte treffen, die ihre Praxistätigkeit nicht übermäßig ausgedehnt hätten.

Dagegen hat der Kläger am 10. November 1994 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Die Beklagte hat die Klageerhebung als Widerspruch gegen ihren Bescheid angesehen und im Laufe des Klageverfahrens mit Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 1994 als unbegründet abgewiesen. Dazu hat sie ergänzend ausgeführt, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei für sie nicht vorhersehbar gewesen. Rückstellungen seien nur für laufende Rechtsstreite zu bilden. Die erneute Abwicklung der streitigen Quartale könne nur zu Lasten der aktuellen Honorarverteilung erfolgen.

Zur Klagebegründung hat der Kläger vorgetragen, der Auffassung der Beklagten, dass § 44 Abs. 2 SGB X vorliegend nicht einschlägig sei, könne er sich nicht anschließen. Im Rahmen dieser Bestimmung sei es ohne Bedeutung, ob die Beklagte gutgläubig rechtswidrig gehandelt habe. Auch sei ihr Argument, sie habe kein Geld, unerheblich, da Geldschulden Gattungsschulden und damit zu erbringen seien.

Dagegen hat die Beklagte ergänzend zu ihrem Widerspruchsbescheid ausgeführt, die Regelungen des § 44 SGB X seien wegen einer speziellen Regelung im Sinne von § 37 Sozialgesetzbuch (1. Buch) (SGB I) nicht anwendbar. Die Leitzahl 904 der Grundsätze der Honorarverteilung (HVM) alte Fassung habe abschließend geregelt, unter welchen Voraussetzungen Honorarabrechnungen nachträglich abzuändern seien. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor. Im übrigen habe sie lediglich aus dem Rechtsgedanken des § 44 SGB X heraus geprüft, ob dem Kläger die einbehaltenen Honorarteile auszuzahlen seien. Im übrigen könnten gem. § 44 Abs. 4 SGB X lediglich die Begrenzungsbeträge für vier Jahre rückwirkend, berechnet vom Beginn des Jahres der Antragstellung, ausgezahlt werden.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 23. August 1995 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar sei § 44 Abs. 2 SGB X auch auf Honorarbescheide der Ärzte anwendbar. Die Beklagte habe jedoch das ihr eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Sie habe sich zutreffend bei ihrer Entscheidung an Billigkeitserwägungen des Einzelfalles orientiert und dem Begehren des Klägers nicht den Einwand fehlender Liquidität entgegengesetzt. Die Beklagte mache vielmehr geltend, dass sie...

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