Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Nachrangigkeit. Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe nach SGB 12 und Sicherungspflege nach SGB 5. Zielrichtung

 

Orientierungssatz

1. Die Sicherungspflege gem § 37 Abs 2 SGB 5 ist nach dem für Sozialhilfeleistungen geltenden Subsidiaritätsprinzip vorrangig vor Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 SGB 12 (vgl BSG vom 21.11.2002 - B 3 KR 13/02 R = BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 und vom 19.5.2009 - B 8 SO 32/07 R = BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5.

2. Die Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe als medizinischer Rehabilitation und (Behandlungs-)Sicherungspflege hat nach der Zielrichtung der Leistung zu erfolgen. Dient die Leistung der Bewältigung von Anforderungen des Schulalltags (Integrationshelfer), ist der Bedarf der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12 zuzuordnen. Handelt es sich um die Notwendigkeit, in medizinisch-pflegerischer Hinsicht zu intervenieren, so handelt es sich um Sicherungspflege nach § 37 SGB 5.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 10. Februar 2011 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Beigeladene hat der Antragstellerin deren notwendige außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Gründe

Die am 21. Februar 2011 erhobene Beschwerde der Beigeladenen mit dem Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 10. Februar 2011 aufzuheben und den Antrag, soweit dieser auf die Verpflichtung der Beigeladenen gerichtet ist, zurückzuweisen,

ist unzulässig geworden.

Das Rechtsschutzbedürfnis bzw. die Beschwerde der Beigeladenen bezüglich der Hauptsache sind mit Ablauf des 15. Mai 2011 entfallen, da mit diesem Tag die im Beschluss des Sozialgerichts Fulda tenorierte vorläufige Leistungspflicht endete und die Beigeladene trotz fehlender aufschiebender Wirkung ihrer Beschwerde (vgl. § 175 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ihrer Leistungspflicht nicht nachgekommen ist.

Die Beschwerde setzt ebenso wie die Berufung eine Beschwerde des Rechtsmittelführers als Beschwerdebefugnis voraus; die materielle Rechtsstellung der Beigeladenen muss durch den Ausspruch beeinträchtigt sein. Diese Beeinträchtigung muss nach richtiger Ansicht auch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel fortbestehen (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., vor § 143 Rn. 10). Sollte man den Wegfall der Beschwerde als unschädlich erachten, so führte aber der Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses aufgrund entsprechender Erwägungen zur Unzulässigkeit.

Die Antragstellerin kann gegenwärtig keine Ansprüche mehr aus dem erstinstanzlichen Tenor einer einstweiligen Anordnung herleiten, da der Ausspruch zeitgebunden erfolgt ist und auch in der Sache die Begleitung der Antragstellerin während des Schulbesuches einer Nachholung nicht zugänglich ist.

Die Beigeladene hat kein Interesse an der Aufhebung der formalen Beschwerde, da sie dem Beschluss nach den Angaben des Bevollmächtigten der Antragstellerin im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 nicht nachgekommen ist, was durch den Bevollmächtigten der Beigeladenen telefonisch bestätigt worden ist. Insoweit besteht kein Interesse an der Aufhebung der Entscheidung im Hinblick auf die Beseitigung eines Rechtsgrundes für erbrachte Leistungen.

Die Antragstellerin kann wiederum aus der Nichtbefolgung des Beschlusses keine Sekundärrechte - wie etwa Schadensersatzansprüche - herleiten, da sie keinen Vollstreckungsantrag gestellt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Ermessensleitend für den Senat war zum einen der Umstand, dass das Verhalten der Beigeladenen der Nichtbefolgung des Beschlusses mitursächlich für den Wegfall der Beschwerde gewesen ist. Zum anderen überwiegt jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Regelung zu Lasten der Beigeladenen die schutzwürdigen Interessen der Beigeladenen.

Richtigerweise hat das Sozialgericht den Vorrang der Sicherungspflege gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) vor Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) angenommen. Dieser Vorrang wurde zutreffend mit der Subsidiarität der Sozialhilfeleistung begründet (BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 13/02 R -; Urteil vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 32/07 R).

Eine den Anordnungsgrund ausschließende, vorrangige Verpflichtung der Antragsgegnerin nach § 43 SGB I kam hier nicht in Betracht, da der Anspruch als solcher nicht unstreitig ist.

Die Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe als medizinischer Rehabilitation und (Behandlungs-)Sicherungspflege hat darüber hinaus nach der Zielrichtung der Leistung zu erfolgen. Dient die Leistung der Bewältigung von Anforderungen des Schulalltags (Integrationshelfer), ist der Bedarf der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zuzuordnen. Handelt es sich um die Notwendigkeit, die körperliche Situation zu beobachten und ggf. in medizinisch-pfl...

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